"Ist Architektur das Feigenblatt im Klimawandel?"

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Foto: © Alexander Joe /AFP/Getty Images, Oxfam-­-Protestaktion wahrend des Klimagipfels in Durban

 

Mit dem gescheiterten Klimagipfel in Südafrika scheinen die politischen Steuerungsmechanismen zur Verhinderung der globalen Erwärmung vollends ins Stocken geraten zu sein. Auch der Energieverbrauch des Verkehrs steigt nicht nur in Deutschland fast ungebremst. Die Architekten hingegen schwitzen weiter pflichtschuldig im Hamsterrad der Effizienzsteigerung und arbeiten sich an immer perfekteren Zertifizierungsverfahren ab, um den Ressourcenhunger von Gebäuden (40% des weltweiten Energieverbrauchs) zu senken. Photovoltaik, Wärmepumpen, Wärmetauscher, Geothermie – kein Aufwand ist den Planern dafür zu groß, auch wenn die dadurch möglichen Energieeinsparungen zunächst von höheren Investitionskosten wettgemacht werden und sich nur langsam amortisieren. Dank des unermüdlichen Einsatzes der Interessenvertreter der Dämmstoffindustrie möchte eine Mehrheit der deutschen Politiker am liebsten auch den Altbestand flächendeckend mit einem Ökoguss aus Polystyrol überziehen – auch wenn die dabei verwendeten Materialverbindungen später nicht mehr trennbar sind und die Zeche für diesen Sondermüll wohl die Bewohner zahlen werden.

Dabei könnten wir das Klimaproblem viel einfacher in den Griff bekommen, indem wir fossile Energien ab sofort konsequent vermeiden. Es gibt mehr als genug nachwachsende und damit klimaneutrale Energie, man müsste sie nur dezentral erschließen und damit verfügbar machen. Die technischen Möglichkeiten, CO2-Ausstoß und Energieverbrauch weitgreifend zu verringern, sind längst bekannt. Allein der politische Wille fehlt, um den fälligen Paradigmenwechsel infrastrukturell umzusetzen. Ist Architektur zum Feigenblatt geworden, das verdecken soll, was die Politik nicht in der Lage oder nicht Willens zu tun ist?

 

Jörg Schlaich / 17.7.2012 / 13:01

Ingenieur, Berlin

Ja ...

... beispielsweise das Sanieren eines Altbaus oder Strom aus Solarzellen bei uns mehr schlucken als sie sparen.Es gibt überhaupt kein Energie- und Klimaproblem dank der unermesslichen Wüsten auf dieser Erde mit ihrer hohen und zuverlässigen Sonneneinstrahlung zur Stromerzeugung.Damit befrieden wir gleichzeitig die größte Herausforderung unserer Zeit, die Armut und den Hunger in den armen, aber sonnenreichen Ländern mit Solarstrom und unzähligen neuen Arbeitsplätzen.Nach Stillen ihres Eigenbedarfs können sie in Zusammenarbeit mit unseren EVUs Solarstrom zu uns exportieren und auch wir profitieren von ihrem neuen Wohlstand. weil sie sich damit unsere Produkte leisten können. So könnte man sogar von dem Tag träumen, ab dem wir wieder großzügig mit der Energie umgehen dürfen, weil wir dort damit Arbeit schaffen und Öl, statt es zu vergeuden besser für beispielsweise pharmazeutische Zwecke schonen.(Ich erlaube mir an dieser Stelle den Hinweis, dass die Idee, unter der Bezeichnung „Desertec“ Europa mit Solarstrom aus der Sahara zu versorgen, zwar wichtig und richtig, aber nicht neu ist, siehe meinen Beitrag „Wie viel Wüste braucht ein Auto“ zur Festschrift Bulling, Stuttgart, August 1989 bzw. How much desert does a car need“ in IABSE Proceedings, May 1990, und schon davor „Neue und Erneuerbare Energiequellen“ in Beton- und Stahlbetonbau, April 1982.)Mit diesem Strom aus der Wüste erledigt sich auch die derzeitige ermüdende Diskussion, welche unserer eigenen, erneuerbaren Energiequellen denn eine Zukunft hat:Natürlich die vorhandenen Wasserkraftwerke, die Erdwärme und zumindest bis der Strom aus der Wüste hier ankommt, der Wind.Die Photovoltaik aber würde dahin zurückkehren, wo sie wirklich unübertrefflich Sinn macht, zur dezentralen Kleinversorgung.Wir brauchen also große Solarkraftwerke, die in den Wüstenländern möglichst einheimisch gebaut und betrieben werden können. Dafür bieten sich heute drei Kraftwerksarten an:- das Rinnenkraftwerk (Parabolic Trough System)- das Turmkraftwerk (Central Receiver System)- das Aufwindkraftwerk (Solar Updraft Tower, SUT)Die ersten beiden sind Spiegelkraftwerke und vielfach bewährt.Das Aufwindkraftwerk: Unter einem großen Glas- oder Foliendach wird die Luft durch die Sonneneinstrahlung erwärmt. Sie strömt zu einer unten offenen Kaminröhre in der Mitte des Daches und zieht dort nach oben.Dieser Aufwind wird mittels Turbinen und Generatoren am Fuß der Röhre in Elektrizität umgewandelt. Das Aufwindkraftwerk vereinigt also drei altbekannte Techniken auf neue Weise:Den einfachen Glasdach-Warmluftkollektor, der auch bei bedecktem Himmel die Diffusstrahlung der Sonne nutzen kann – die Kaminröhre (aus Stahlbeton)Windturbinen mit Generatoren. Es garantiert mit einer einfachen Speicherung einen 24h-Betrieb (Grundlastkraftwerk)Dass weniger als 2% der auf die Kollektorfläche eingestrahlten Sonnenenergie schließlich als Strom abgeführt werden, hat einen hohen Flächenverbrauch zur Folge, der aber in Wüsten keine Rolle spielt. Es genügen wenige % der Sahara, um den Energiebedarf von Europa und ganz Afrika zu stillen. Andererseits ist damit ein negativer Einfluss auf das Klima aus meteorologischer Sicht ausgeschlossen. Es ist robust, vergleichbar dem Wasserkraftwerk, von hoher Lebensdauer und einfacher Wartung, d.h. es erzeugt nach Ende der Abschreibung fast kostenlosen Strom Seine Baustoffe, vor allem Sand und Stein für Glas und Beton sind in den Wüsten nachhaltig und unerschöpflich vorhanden Während der ca. 25-jährigen Abschreibungsfrist erzeugt ein 200 MW-Aufwindkraftwerk Strom um ca. 6-8 Euro-Cents/KWh, also etwa der Hälfte anderer großer Solar-Kraftwerke, und das ohne WasserverbrauchEin kleiner 50 KW-Prototyp (1980-89) hat die Funktionstüchtigkeit des Aufwindkraftwerks bewiesen. Jetzt braucht es dringend eines größeren Prototyps, um zu demonstrieren, dass die zukünftige Energieversorgung der armen Wüstenländer ebenso wie der nördlichen Industrieländer mit Hilfe der Sonne möglich ist.Also, es geht wirklich und sofort: Wohlstand für alle mit Strom aus der Wüste.Packen wir´s endlich an! Wir können, wenn wir wollen!Und wir müssen!Em. Prof. Dr. Ing. Jörg Schlaich wurde 1934 in Stetten/Remstal geboren.
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Brian Cody / 16.7.2012 / 11:51

Ingenieur, TU Graz

Nein ...

Solange Gebäude den Löwenanteil des Energieverbrauchs in Ländern wie Deutschland ausmachen, kann von Architektur als Feigenblatt für den Kampf gegen den Klimawandel in diesen Ländern keine Rede sein.Dass viele der Gebäude, welche als „Green Buildings“ oder „Energiesparhäuser“ in der Öffentlichkeit deklariert werden, keinen Beitrag zur Problemlösung darstellen, und dass die im Bausektor vorherrschende Verwechselung zwischen Erhöhung von Energieeffizienz und Senkung vom Energieverbrauch sowie die daraus entstehenden eindimensional gedachten Konzepte zum Teil zu eindeutigen Fehlentwicklungen geführt haben, ist ein anderes Thema. Grundsätzlich muss man einsehen: Architektur und Urban Design stellen die Bereiche mit dem größten Potential zur Problemlösung dar. Zu behaupten, dass andere Bereiche wichtiger wären, kann nur als ein Versuch, sich aus der Verantwortung zu stehlen, gewertet werden.Univ.-Prof. Brian Cody BSc(Hons) CEng MCIBSE ist Universitätsprofessor an der technischen Universität Graz und leitet dort das Institut für Gebäude und Energie. Sein Schwerpunkt in Forschung, Lehre und Praxis gilt der Maximierung der Energieeffizienz von Gebäuden und Städten. Vor dem Ruf nach Graz war er Associate Director des weltweit operierenden Ingenieurbüros Arup. Er ist Gründer und Inhaber des Beratungsunternehmens ENERGY DESIGN CODY, das an der Entwicklung von innovativen Klima- und Energiekonzepten für Bauprojekte weltweit beteiligt ist.
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Matthias Sauerbruch / 16.7.2012 / 11:49

Architekt, Berlin

Nein ...

... so groß kann das Blatt gar nicht sein, um die monumentale Blöße verdecken zu können, die sich die Industrienationen augenblicklich geben. Auch ist weder die Mentalität „nützt ja sowieso alles nix – also können wir es auch gerade so machen, wie wir es immer gemacht haben“ noch der Einwand „beim Verkehr und in der Industrie oder in anderen Ländern wird immer weiter gesündigt, warum sollen wir uns da als Tugendwächter aufspielen“ in irgendeiner Weise hilfreich. Der Verbrauch fossiler Energien und der Ausstoß von CO2 müssen reduziert werden und da ist jeder Ansatz zur Verbesserung erst einmal recht. Und wenn nur Deutschland oder nur der Bausektor in dieser Einsicht ganz alleine da stünden, würde dies den Wert des Unterfangens in keiner Weise in Frage stellen. Manchmal muss man eben auch vorausgehen, vor allem wenn man sich jahrelang eher passiv verhalten hat.Auf der anderen Seite ist allerdings auch klar, dass wir uns auf unerprobtem Gebiet bewegen, und wo experimentiert wird, werden auch Fehler gemacht. Aus diesen Fehlern werden wir nur lernen, wenn wir sie überhaupt erkennen, und diese Erkenntnis setzt Transparenz und Aufrichtigkeit voraus. Endlose Rhetorik von der Wirksamkeit irgendwelcher Massnahmen ohne kritische Analyse vernebelt das Problem und behindert die Entwicklung. Auch muss man – bloss weil man meint, die Dringlichkeit und die „political correctness“ nachhaltigen Agierens erkannt zu haben – nicht gleich den Kopf abschalten. Es gibt viele Wege zum Ziel – je mehr davon ausprobiert werden, desto höher der Erkenntnisgewinn, desto besser das Ergebnis für die Baukultur.Wir haben ein Problem, und ich denke, gerade Planer tun gut daran, ihre Energie und Kreativität einzubringen, um das Problem auf eine Art zu lösen, mit der wir und unsere Kinder leben werden wollen.Prof. Matthias Sauerbruch, geb.1955 in Konstanz, gründete 1989 gemeinsam mit Louisa Hutton das Büro Sauerbruch Hutton. Das Büro ist international bekannt dafür, höchsten architektonischen Anspruch mit Nachhaltigkeit und Sinnlichkeit zu verbinden. Die Arbeit von Sauerbruch Hutton wurde mit zahlreichen Preisen und Ausstellungen gewürdigt. Matthias Sauerbruch hatte Lehrstühle in Berlin und Stuttgart inne, und ist gegenwärtig Professor an der Harvard Graduate School of Design. Er ist Mitbegründer der deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB und gehört seit 2007 der Akademie der Künste Berlin an.
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Michael Cramer / 16.7.2012 / 11:46

MdEP, Die Grünen

Jein ...

ohne eine Änderung der Mobilität können wir den Klimawandel nicht stoppen.Einsparungen der Treibhausgas-Emissionen in Höhe von 14% im Vergleich zu 1990 – diese Bilanz des Bausektors kann sich sehen lassen. Doch bei allen Bemühungen um energieeffiziente Immobilien dürfen andere Bereiche nicht vernachlässigt werden. Denn der Verkehrssektor ist für 30% aller Treibhausgas-Emissionen der EU verantwortlich und hat mit einer satten Steigerung von 29% seit 1990 keinerlei Anstrengungen an den Tag gelegt, dies zu ändern. Darüber hinaus wird er bisher von nahezu allen Klimaabkommen nicht erfasst. Und das, obwohl andere Sektoren längst bewiesen haben, dass wirtschaftlicher Erfolg und effizienter Klimaschutz Hand in Hand gehen.So konnten die Treibhausgasemissionen der Industrie seit 1990 um 34% gesenkt werden, bei der Energie-Erzeugung belief sich die Reduzierung auf 17%. Der Verkehr frisst also doppelt und dreifach all das auf, was in anderen Sektoren mit Milliarden unserer Steuergelder erreicht wurde. Deshalb: Ohne eine Änderung der Mobilität werden wir den Klimawandel nicht stoppen!Und dabei muss Klimaschutz im Verkehrsbereich nicht einmal etwas kosten: So ließen sich laut Umweltbundesamt allein durch ein Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen – Deutschland ist das einzige EU-Land ohne ein Tempolimit – jährlich 2% der Schadstoffemissionen im Verkehrsbereich einsparen.Die heutige autofixierte Verkehrspolitik führt ins Chaos. Viele europäische Städte sind da schon weiter als die deutschen, in Stockholm und London ist das Auto längst persona non grata. Davon haben die Lebensqualität, die Gesundheit und nicht zuletzt der Klimaschutz profitiert. Bei uns sind Busse und Bahnen nach wie vor zu teuer, die Parkgebühren zu billig.Es muss umweltfreundliche, gesunde und sichere Mobilität gefördert werden. Dazu sollen die Städte nach dem Willen des Europäischen Parlaments Pläne für nachhaltige Mobilität verabschieden, um die Zahl der Radfahrer und Fußgänger zu verdoppeln. Auch im Tourismus setzt das Parlament auf das Fahrrad und fordert, die 80.000 km langen europäischen Radfernwege ("EuroVelo-Routen"), in die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T) aufzunehmen.Damit der Verkehrssektor endlich seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet, brauchen wir nicht unbedingt mehr Geld, sondern in erster Linie eine andere Verkehrspolitik. Der unfaire Wettbewerb zu Lasten der umweltfreundlichen Verkehrsträger muss endlich korrigiert werden und die Internalisierung der externen Kosten muss Anreize für Effizienz und Nachhaltigkeit setzen.Aktuell ist es genau falsch herum: Während der klimaschädliche Luftverkehr wegen der Befreiung von der Kerosinstuer, sowie auf internationalen Strecken auch von der Mehrwertsteuer in der EU jährlich Steuersubventionen in Höhe 30 Milliarden Euro erhält, muss die umweltfreundliche Bahn sowohl Energie- als auch Mehrwertsteuer entrichten. Und während die Erhebung einer LKW-Maut eine freie Entscheidung der Mitgliedstaaten ist und von der EU zudem eine Deckelung vorgegeben wird, muss auf der Schiene in Europa eine verpflichtende und in der Höhe unbegrenzte Schienenmaut für jeden Streckenkilometer und jede Lokomotive erhoben werden. Nur wenn hier mindestens faire Wettbewerbsbedingungen herrschen, kann das Umlenken in Richtung Effizienz und Nachhaltigkeit gelingen!Schließlich müssen wir statt extrem teuren und langwierigen Großprojekten auf eine Vielzahl kleinerer, aber wirksamerer Maßnahmen setzen. Am Ende profitieren alle von einer solchen Verkehrspolitik: Die Luft wird sauberer, der Lärm gesenkt, die Mobilität gesichert und das Klima geschützt.Michael Cramer, geb. 1949, ist seit 2004 Mitglied des Europäischen Parlamentes und in dieser Funktion Sprecher der Grünen im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr (TRAN). Von 1989 bis 2004 war er verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin. Er setzt sich nicht nur für nachhaltige Mobilität ein, sondern hat mit dem "Berliner Mauer-Radweg" und dem Pendant auf europäischer Ebene, dem "Europa-Radweg Eiserner Vorhang", Radprojekte geschaffen, die sanften Tourismus, europäische Geschichte und Kultur verbinden.
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Hansjürg Leibundgut / 16.7.2012 / 11:41

Ingenieur, ETH Zürich

Nein ...

das Bild des Feigenblatts ist verharmlosend. Die antiken Künstler verwendeten das Feigenblatt, um die „Scham“ zu verdecken. Die Fläche des Blattes ist max. 2% der gesamten Ansichts-Fläche des Menschen, die Scham ist also relativ klein. Je nach Quelle wird das Bauen für 40-60% der weltweiten CO2-Emissonen verantwortlich gemacht. Man setzt das Bauen an die erste Stelle der Klimakiller-Rangliste. Ist das richtig?Man kann nur bauen, wenn man vorher gegessen, Kleider fabriziert, sich fortbewegt und kommuniziert hat. Wenn man diese vier wirklichen Grundbedürfnisse befriedigt hat, kann man zu bauen beginnen. Bauen ist der Luxus, den man sich leisten kann, wenn alles andere gut genug ist. Wenn Bauen Luxus ist, kann man fordern, dass das Bauen nicht negativ auf die vier Grundbedürfnisse wirken sollte. Luxus sollte nur Freude bereiten und niemandem schaden. Leider ist es aber im Moment so, dass das Bauwerk über die Atmosphäre negativ auf die Grundversorgung wirkt, indem Ueberschwemmungen oder Dürren die Nahrung von Menschen zerstören.Das heisst, dass das Bild des Feigenblattes viel zu harmlos ist. Die Scham, die man verdecken müsste wenn man so baut wie heute, ist viel zu gross für ein Feigenblatt. Oder anders gesagt, man muss das Bauen massiv verändern, damit man sich nicht mehr dafür schämen muss, gebaut zu haben.Prof. Dr. Hansjürg Leibundgut ist Professor für Gebäudetechnik am Institut für Technologie in der Architektur an der ETH Zürich. Er ist Partner bei Amstein + Walthert in Zürich, einem der grössten Ingenieurunternehmungen der Schweiz für Engineering und Consulting. 2011 erschein seine Publikation „LowEx Building Design - für eine ZeroEmission Architecture“ im vdf Hochschulverlag AG, Zürich.
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Matthias Sauerbruch / 16.7.2012 / 11:49

Architekt, Berlin

Nein ...

... so groß kann das Blatt gar nicht sein, um die monumentale Blöße verdecken zu können, die sich die Industrienationen augenblicklich geben. Auch ist weder die Mentalität „nützt ja sowieso alles nix – also können wir es auch gerade so machen, wie wir es immer gemacht haben“ noch der Einwand „beim Verkehr und in der Industrie oder in anderen Ländern wird immer weiter gesündigt, warum sollen wir uns da als Tugendwächter aufspielen“ in irgendeiner Weise hilfreich. Der Verbrauch fossiler Energien und der Ausstoß von CO2 müssen reduziert werden und da ist jeder Ansatz zur Verbesserung erst einmal recht. Und wenn nur Deutschland oder nur der Bausektor in dieser Einsicht ganz alleine da stünden, würde dies den Wert des Unterfangens in keiner Weise in Frage stellen. Manchmal muss man eben auch vorausgehen, vor allem wenn man sich jahrelang eher passiv verhalten hat.

Auf der anderen Seite ist allerdings auch klar, dass wir uns auf unerprobtem Gebiet bewegen, und wo experimentiert wird, werden auch Fehler gemacht. Aus diesen Fehlern werden wir nur lernen, wenn wir sie überhaupt erkennen, und diese Erkenntnis setzt Transparenz und Aufrichtigkeit voraus. Endlose Rhetorik von der Wirksamkeit irgendwelcher Massnahmen ohne kritische Analyse vernebelt das Problem und behindert die Entwicklung. Auch muss man – bloss weil man meint, die Dringlichkeit und die „political correctness“ nachhaltigen Agierens erkannt zu haben – nicht gleich den Kopf abschalten. Es gibt viele Wege zum Ziel – je mehr davon ausprobiert werden, desto höher der Erkenntnisgewinn, desto besser das Ergebnis für die Baukultur.

Wir haben ein Problem, und ich denke, gerade Planer tun gut daran, ihre Energie und Kreativität einzubringen, um das Problem auf eine Art zu lösen, mit der wir und unsere Kinder leben werden wollen.

Prof. Matthias Sauerbruch, geb.1955 in Konstanz, gründete 1989 gemeinsam mit Louisa Hutton das Büro Sauerbruch Hutton. Das Büro ist international bekannt dafür, höchsten architektonischen Anspruch mit Nachhaltigkeit und Sinnlichkeit zu verbinden. Die Arbeit von Sauerbruch Hutton wurde mit zahlreichen Preisen und Ausstellungen gewürdigt. Matthias Sauerbruch hatte Lehrstühle in Berlin und Stuttgart inne, und ist gegenwärtig Professor an der Harvard Graduate School of Design. Er ist Mitbegründer der deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB und gehört seit 2007 der Akademie der Künste Berlin an.

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