"Braucht die Biennale überhaupt Inhalte?"

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© Jan-Eric Loebe / Die Luxusyacht Casino Royale in Venedig 


Der Baumeister hat in seiner letzten Ausgabe gefragt, ob die Welt noch Biennalen braucht. Die Antworten handelten von allem möglichen – nur nicht davon, was für Inhalte eine Architekturausstellung eigentlich thematisieren sollte. Aber danach hatte Baumeister auch gar nicht gefragt. Vielleicht ist das spätsommerliche Get Together an der Lagune ja auch gar nicht für Inhalte gemacht. Von allen bisherigen Ausgaben hat es nur eine vermocht, einen damals neuen Blick auf die zeitgenössische Architektur zu erzeugen. Das war die erste Biennale, „Strada Novissima“, von 1980. Seitdem hat die Bedeutung der Inhalte stetig abgenommen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, in welchem Hauruckverfahren die Kuratoren bestimmt werden, und dass diese nur wenige Monate Zeit haben, ihr Orakel zur Lage der Architektur abzugeben.

Aber wer braucht diesen bedeutungstriefenden Hokuspokus eigentlich? Ist die Biennale für Architekten nicht längst, wie es Jürgen Mayer H. in seiner Antwort im Baumeister ausdrückte, „unser wichtigster Branchentreff“? Fahren wir nicht in Wirklichkeit nach Venedig, um jenen Hauch von Glamour, Dekadenz und Exklusivität zu spüren, den Architektur sonst nie hat? Es geht doch ums Sehen und Gesehen-Werden und die rituelle Selbstvergewisserung, Teil eines internationalen Netzwerkes zu sein. Und die innere Genugtuung, zum Kreis der Wichtigen zu gehören, bekommt man eben nur über die Logik der Verknappung – handverlesene Gästelisten, exotische Locations, sündhaft teure Hotels und im Idealfall auch noch die zeitliche Überschneidung mit den Filmfestspielen so wie in diesem Jahr. Das alles kann man nur in den Preview-Tagen bekommen, und genau deswegen wollen wir alle auch in dieser ersten Woche dabei sein, wenn „alle anderen“ auch da sind und nicht während der verkaterten Monate danach. Nicht zufällig schlägt die Biennale längst selbst Kapital aus diesem Trend, indem sie hochpreisige Sondertickets für die Preview Tage verkauft, die einst den Ausstellern und der Presse vorbehalten waren.

Warum also noch die Mär von der „Ausstellung für die breite Öffentlichkeit“? Und wozu noch Themen, wenn nicht als Lästerstoff für den Smalltalk? Vielleicht wäre die gesamte Veranstaltung in ihrer lustvollen Perversion aufregender, wenn wir ihre tatsächliche Dekadenz umstandlos bejahen würden.

 

Peter Reischer / 1.9.2012 / 13:46

Architekturkritiker, Wien

Nein ...

.... eigentlich nicht, denn die Frage nach Inhalten stellt sich erst in der nächsten Runde. Zuerst ist eine Bestandsaufnahme von Nöten: Offensichtlich ist die Architektur am Ende angelangt. Niemand (fast niemand) von den ARCHITEKTEN hat mehr etwas zu sagen. Oder besser: Keiner der Architekten kann eine wesentliche Aussage machen. Es ist kein Wille zu einer Veränderung und schon gar nicht zur Vision vorhanden.Das beginnt mit dem Motto von D. Chipperfield – „Common Ground“ - das übrigends von Prix (siehe Antwort von Prix) falsch übersetzt oder interpretiert wurde. Der Begriff „common“ hat immer etwas mit Gemeinschaft, mit Menschen zu tun. Er bedeutet auf keinen Fall (in diesem Zusammenhang) Kompromiss. Wenn Prix das so übersetzt, dann hat er wahrscheinlich den (zumindest auf den Papieren so vorhandenen) Vorsatz/Absicht von Chipperfield nicht verstanden. Selbst Chipperfield übersetzte den Ausdruck mit dem Begriff „Allmende“. Aber Chipperfield ist wohl der Falsche, um von „Common Ground“ zu sprechen. Und die von ihm eingeladenen Stararchitekten sind die, die - um die Worte des Schweizer Kurators Miroslav Sik zu gebrauchen – „den ‚Common Ground’ täglich mit ihren Werken vernichten“! Also ist Prix wohl auch der Falsche, um bei „Common Ground“ mitzureden.Das Motto wäre an und für sich ideal, um einen Gesinnungswandel herbeizuführen. Um eine neue mögliche Haltung der Architektur als Lösung auf globale Krisen zu zeigen. Aber durch die „billige“, nicht tiefgreifende Behandlung des Themas (Chipperfield hat als Kurator versagt), ist schon das Motto eine Lüge, die nur dazu dient, die (scheinbar nicht mehr denken könnenden) Menschen zu täuschen. Denn die gesamte Show (von Chipperfield kuratiert) im Arsenale ist mit wenigen Ausnahmen eine Selbstbespiegelung und Selbstbeweihräucherung der Ausstellungsmacher. Somit zeigt sich eine immer gleichbleibende Klientel, der es nur um das Eigene, um den Machterhalt geht. Sie sind nicht im Stande, außer ihrem Eigenen etwas wahrzunehmen, das sich jenseits ihres Denk- und Handlungsniveaus bewegt. Im Gegenteil: Was ausserhalb ist, wird als feindlich wahrgenommen, als Angriff auf die eigene Festung, Kritik wird mit Hochverrat gleichgesetzt. Eigentlich sind das typische Kennzeichen von narzistisch oder egozentrisch gestörten Persönlichkeiten. Die gezeigten Projekte und Arbeiten haben (bis auf zum Beispiel das Projekt 'Gateway' von Norman Foster, Carlos Carcas und Charles Sandison - aber das würde den Rahmen dieses Statements sprengen) überhaupt nichts mit „Common Ground“, mit einem sozialen Anliegen oder Auftrag zu tun. Symptomatisch für diese Haltung ist die Antwort von Chipperfield auf meine Frage bei der offiziellen Pressekonferenz in Venedig, warum denn keine der sogenannten 'Outlaws' oder den NGOs der Architekturszene (wo doch das Thema „Common Ground“ sei) eingeladen sind (z. Bsp. Cameron Sinclair und „Architecture for Humanity“). Warum wieder nur die Stars „business as usual“ betreiben und ausstellen? Antwort: „Weil das eine Architekturausstellung ist!“Was ist das für ein Selbstverständnis? Der Hochmut, der aus diesem Satz spricht ist erschütternd. Klingt ein bisschen nach: „Weil wir die Herren sind und wir machen was wir wollen.“ (Hier wäre wohl noch das Götz-Zitat angebracht.) Eine derart kolonialistische, präpotente Haltung ist mir selten untergekommen. Es war ja auch in der ganzen Arsenal-Ausstellung kein einziger Beitrag aus Asien oder Afrika zu finden. 58? Beiträge aus ausschließlich 'weissen', westlichen Ländern.Ich möchte noch kurz auf meine o.e. Behauptung eingehen, keiner der Architekten hätte mehr etwas zu sagen. Chipperfield hat das sogar bei eben dieser Pressekonferenz bestätigt indem er erzählte, dass er viele internationale Büros angeschrieben und zur Teilnahme unter dem Thema 'Common Ground' eingeladen habe. Nach anfänglichen (begeisterten) Zusagen hätten viele nach einer 14tägigen Nachdenkpause wieder abgesagt, mit der Begründung, das Thema sei zu kompliziert. Also haben sie nichts mehr zu sagen? Oder wollen sie nicht denken? Oder widerspräche die Beschäftigung mit dem Thema den eigenen Geschäftsinteressen nach Gewinnmaximierung und Profitsteigerung?Also stellt sich nicht die Frage nach Inhalten der Biennale, sondern die Frage nach dem Zustand unserer (Architekten-) Gesellschaft. Da tun Veränderungen not, nicht in der Struktur der Biennale.mag. arch. Peter Reischer hat Architektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien studiert, ist Architekturkritiker und freier Journalist in Wien, seit 2010 leitender Redakteur von 'Architektur', Österreichs auflagenstärksten Fachmagazin für Architektur. Er schreibt u.a. für den Falter und die NZZ.
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Amandus Sattler / 31.8.2012 / 10:08

Architekt, München

Ja ...

Die Biennale braucht Inhalte, aber sie braucht nicht so viele Positionen, die zusammenhangslos aneinander gereiht werden.Das Thema der diesjährigen Biennale „Common Ground“ ist ein wichtiger Inhalt in unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation. Die anhaltende Wirtschaftskrise schafft unter den Menschen einen neuen sozialen Zusammenhalt, der auch im „Common Ground“ gelebt werden kann - jedoch nicht ohne Konflikte. Ist kein öffentlicher Raum vorhanden, funktioniert die Stadt nicht. Ist er vorhanden, schafft er viel Ärger zwischen den Anspruchsgruppen. Öffentlicher Raum ist der Raum, in dem Demokratie gelebt werden kann - hierzu muss man sich den Raum auch aneignen. Wer weiss heute noch, wie das ohne Eventveranstalter geht?Wie können wichtige Inhalte kommuniziert werden, dass der Besucher ein Bewusstsein für das Thema entwickelt und dabei Spass an der Ausstellung hat? Die Inhalte müssen mit der formalen Kraft der Raumerfahrung vermittelt werden und nicht nur über didaktische Mittel. Eine Ausstellung ist kein Buch und nicht jeder gute Architekt ist auch ein guter Ausstellungsmacher.Und wenn man dann auch noch die vielen Menschen im „Common Ground“ dieser märchenhaften Kulisse der Lagunenstadt trifft, mit ihnen spricht, mit ihnen isst, ein paar Gläser trinkt und sich über die Architekturbiennale austauscht, erlebt man einmal wieder, wie inspirierend es ist, den öffentlichen Raum einer autofreien Stadt mit anderen Menschen zu teilen.Amandus Sattler, geb. 1957, ist Architekt und Mitbegründer des Münchner Architekturbüros Allmann Sattler Wappner. Das Büro war u. a. 2004 auf der Architekturbiennale in Venedig im Rahmen des deutschen Beitrags und 2007 auf der Architekturbiennale in São Paulo vertreten. Amandus Sattler ist außerdem Mitbegründer von „Architekturbüro Deutschland“ (2002), einem Zusammenschluss von 8 Büros, die sich in der Gruppe als Botschafter Deutscher Architektur verstehen.
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Philip Ursprung / 26.8.2012 / 16:32

Kunst- und Architekturtheoretiker, Zürich

Nein ...

... die Wurzeln der grossen Turnusausstellungen – seien es Industrieausstellungen, Weltausstellungen, Biennalen, Triennalen, die Documenta, die Schweizerische Landesausstellung, etc. – reichen zurück zu den Handelsmessen des Mittelalters. Diese Veranstaltungen sind in erster Linie ökonomisch motiviert, als Plattformen für die Märkte, um welche sich die Städte und Nationen seit jeher gerissen haben. Sie bieten einen Schutzraum, innerhalb dessen die Konkurrenten sich friedlich messen und dem Publikum präsentieren können. Während der olympischen Spiele herrschte in der Antike Waffenstillstand. Die Turnusausstellungen sind, wie ihre Vorgänger, die Messen, festlich, spielerisch und rituell. Sie stehen ausserhalb von Zeit und Raum, und deshalb ist Ihre zyklische Wiederkehr unerlässlich. Die ewige Wiederkehr macht die Ausstellung zum Naturereignis, sie naturalisiert die Rohheit der Märkte.Die Themen dieser Ausstellungen sind völlig unerheblich. Dass sie jenseits von Jahreszahlen oder Nummern einen Titel tragen, ist ein junges Phänomen. Es hängt zusammen mit der zentralen Rolle des Kurators. Harald Szeemanns Documenta 5 ist die erste Documenta mit einem Titel. Es handelt sich dabei um eine erweiterte Signatur des Kurators. Ausser Spezialisten wird sich allerdings niemand daran erinnern.Titel dienen der Ablenkung. Sie suggerieren Kontinuität und Kohärenz. Nie waren Architektur und Städtebau segregierender, exklusiver und trennender als heute, wo wir uns (beziehungsweise die Elite, die unter der Segretation nicht leidet und die zum Territorium der Europäischen Union Zugang hat) auf den „Common Grounds“ in Venedig treffen. „Divided we Stand“ heisst der letzte OECD-Bericht. Aber wie sollte man diesen Titel im schönen Venezianischen Spätsommer umsetzen? Die nebulösen Titel lenken davon ab, dass es bei diesen Ausstellungen in Wirklichkeit nicht darum geht, Fragen zu stellen, Phänomene zu analysieren oder Neues zu produzieren, sondern darum, den status quo zu feiern. Aber dies ist im Grunde bereits im Begriff „Biennale“ enthalten. Niemandem würde es auffallen, wenn der Untertitel fehlte.Philip Ursprung, geb.1963 in Baltimore, MD, USA, hat Kunstgeschichte, Allgemeine Geschichte und Germanistik in Genf, Wien und Berlin studiert und an der FU Berlin promoviert. Er ist seit 2011 Professor für Kunst- und Architekturgeschichte an der ETH Zürich.
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Ullrich Schwarz / 26.8.2012 / 16:30

Architekturtheoretiker, Hamburg

Ja ...

... denn der Appell „Seien wir doch einmal ehrlich“ entspringt einem alteuropäischen Affekt, der einer Zeit entstammt, in welcher man Schein und Wahrheit noch glaubte eindeutig voneinander unterscheiden zu können. Aber auch für die Biennale gilt, daß man mit Nietzsche Wahrheit und Lüge nur noch in einem außermoralischen Sinn auffassen kann. Und Nietzsche hatte ja bekanntlich mit der Wahrheit den Schein gleich mitabgeschafft. Ist das Zynismus? Das wäre die negative Deutung. Positiv gewendet könnte man eher sagen: das ist radikaler Konstruktivismus. Nietzsche kannte diesen Begriff noch nicht, er sprach von „Dichtung“.Ist die Biennale in diesem Sinne ein Produkt der „Dichtung“? Sehr wahrscheinlich. Und das ist gut so. Denn was wäre die Berufsgruppe der Architekten denn ohne „Dichtung“? Ohne diesen golden glow, ohne dieses kulturelle Surplus, ohne dieses manchmal schon bedenklich stimmenden Schimmern in den Augen der Akteure, das von dem tiefempfundenen Glauben zeugt, daß Architektur eben doch viel mehr als nur Architektur sei.Ob das wirklich so ist oder nicht – das ist hier nicht die Frage (siehe oben). Außerdem ist dies jetzt nicht der Ort, um akademisch dem Thema der Autonomie der Architektur nachzugehen. Nein, dies ist die Stunde von Niklas Luhmann: Wirklichkeit ist Kommunikation, anders gesagt: gelebte Deutung ,auch Selbstdeutung. Dies ist im übrigen der einzige ernstzunehmende Gedanke in Patrik Schumachers monumentaler Büromarketingbroschüre called „Autopoiesis“. Aber genau darum geht es auch bei der Biennale: Autopoiesis – die ständig der Erneuerung bedürftige Selbsterschaffung eines Berufsstandes angesichts der drohenden Gefahr, langsam, aber sicher ins kulturelle Abseits abzurutschen. Jede Biennale ist ein Versuch der kollektiven Selbsttherapie. Ich wiederhole es: Es geht auch nicht anders.Natürlich stimmt es, daß die Motti immer etwas Beliebiges an sich haben; daß selbst die Hauptausstellung sich kaum auf dieses Motto beziehen läßt, von den nationalen Pavillons ganz zu schweigen. Daß es hauptsächlich um Sehen und Gesehenwerden geht. Auch um Wichtigtuerei. Aber man darf sich nichts vormachen. Venedig als Branchentreff ohne jeden Überbau wäre bald von der Expo Real nicht mehr zu unterscheiden.Der kulturelle Wert der Architektur ist ein höchst fragiles Gut. Und so lobe ich am Ende – trotz allem – den Schein. Die „Wahrheit“ wäre hier – wie so häufig auch sonst – nicht unbedingt die bessere Wahl.Ullrich Schwarz, geb. 1950, ist Geschäftsführer der Hamburgischen Architektenkammer und Professor für Architekturtheorie an der HafenCity Universität Hamburg HCU.
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Peter Cachola Schmal / 26.8.2012 / 16:27

Museumsdirektor, Frankfurt am Main

Ja ...

“City: Less Aesthetics, more Ethics, Next, METAMORPH, Cities. Architecture and Society, Out There: Architecture Beyond Building, People meet in architecture” - Dies waren die Themen der letzten Architekturbiennalen – und dies die Direktoren: Fuksas, Sudjic, Forster, Burdett, Betsky oder Sejima. Alles schon vergessen? Wann war jene wunderbare Entdeckung von Wang Shus Tile Garden? Und wann fand die wunderbar sinnliche Welt von Studio Mumbai statt? Und der eigenartige Girls-Kosmos im japanischen Pavillon, war das vor oder nach den Otaku-Nerds? Und dann erst die Kunstbiennalen – da gab es im niederländischen Pavillon doch den betörenden Film von Fiona Tan, die dann im nächsten Jahr zur Architekturbiennale beauftragt wurde … Und wann war noch einmal die tiefgekühlte Space-Out Lounge von NL architects im Niederländischen Pavillon? Und die kühne Kommune im französischen, mit dem schwebenden Pool über dem Dach? Und die tschechischen Tattookünstler, deren Entwürfe live appliziert wurden, oder war das zur Kunstbiennale?Im Chaos der Erinnerungen fällt die Zuordnung schwer, besonders, da die Website der Biennale keine Vergangenheit aufzeigt. Aber: die Persönlichkeit der Direktoren und seine/ihre subjektive Auswahl werden tatsächlich zu Fixpunkten der Erinnerung. So wird Sejimas Biennale noch jahrelang in Erinnerung bleiben - schöner wurde das Arsenale nie bespielt, selten war eine Auswahl so relevant. Fuksas‘ Erstbespielung der Seilerei mit der aufwändigen Videoleinwand, die alle ausgewählten Arbeiten ins Dunkel stellte. Betskys Großarchitekten mit ihren Installationen, wie der erste Lehmbau von Gehry. Sudjics Inflation von goldenen Bären, darunter der erste Preis für Plot, oder Burdetts Grafikskulpturen der Dichte … die Direktoren und ihre Eigenarten haben Bestand. Das sie ihrem Konzept ein Motto geben, ist da nur recht. Was hat Forster eigentlich gemacht?Auf der anderen Seite muss man sich im Klaren sein, das die Ausstellungen in den Länderpavillonen nichts, aber auch gar nichts mit dem offiziellen Thema zu tun haben. Können sie gar nicht, denn das Thema kommt immer zu spät. Wenn es dann doch einmal passt, war es ein günstiger Zufall oder eine gelungene Aktion der PR-Mitarbeiter.PS: Welcher deutsche Pavillon bleibt am prägnantesten in Erinnerung? Schlingensiefs Kirche und Gregor Schneiders Haus Ur, aber das waren beides auch wieder Kunstbiennalen.Peter Cachola Schmal, geb. 1960, ist Architekt, Architekturkritiker und seit 2006 Chefkurator und Leitender Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM) in Frankfurt am Main.
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Benjamin Foerster-Baldenius / 26.8.2012 / 16:24

darstellender Architekt, Berlin

Ja ...

... wenn man sich ohne Inhalte trifft, wird es langweilig. Allerdings ist das ein eher unwahrscheinlicher Fall, denn solange unseresgleichen sich dort einfindet, kommen die Inhalte von alleine an den Canale Grande. Natürlich ist es wichtig, das die Ausstellung, die für das Eröffnungspublikum ja nur das Beiprogramm ist, auch Spass bringt anzuschauen. Wenn die Frage sich darauf bezieht, das die letzten Shows trotz markiger Motti und gebrochener Lanzen für Inhalte letzlich doch nur die bekannten Positionen auf recht herkömmliche Weise vertraten, also die Architektur als Objekt präsentierten, ist das natürlich wenig konsequent und auch eine verpasste Chance. Die kommt aber alle zwei Jahre wieder.Wenn ohne Inhalte aber heissen soll, das es nur um “Aesthetics”, “In buildings” oder “grounds” gehen soll, lesen wir besser H.O.M.E. oder Wallpaper. Wenn die beteiligten Länder nur noch ihre Real Estate Projekte präsentieren - gute Nacht! Wenn es auf der Biennale nur noch von Scheichs, Bürgermeistern, Möbelhauskettenbesitzern und ihren Jubelpersern wimmelt, die sich wie aus dem Supermarktregal ihr Guggenheim Design aussuchen, spätestens dann müssen wir uns einen anderen Ort suchen, um uns darüber auszutauschen, was Architektur für uns heute interessant macht. Das wäre allerdings schade, denn nirgends macht das soviel Spass wie in Venedig.Es wäre jedoch wünschenswert, wenn es gelänge, den Geist der Eröffnungswoche über die Dauer der Ausstellung auszudehnen. Eine Biennale, bei der einen auch nach vier Wochen noch nicht das Gefühl beschleicht, dass man den wichtigsten Teil bereits verpasst hat. Eine Biennale, die man gar nicht verlassen möchte, weil das ständig spannender werdende Programm, die sich immer mehr zuspitzenden Diskussionen in den Cafés bei Focaccia und Pannetone einen so sehr fesseln, das man das Hotel eine Woche länger bucht. Dafür braucht man allerdings Inhalte – sehr viele Inhalte.Benjamin Foerster-Baldenius, geb. 1968, hat in Berlin und Kopenhagen Architektur studiert, 1997 das Instituts für angewandte Baukunst in Berlin gegründet und ist seit 1999 Mitglied der Architektenfamilie raumlaborberlin, die mit Beiträgen auf der 9.,10.,11.,12. und 13. Architekturbiennale in Venedig vertreten waren.
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Wolf D. Prix / 26.8.2012 / 16:13

Architekt, Wien

Jein ...

Die BANALEPraise be to Nero’s NeptuneThe Titanic sails at dawnAnd everybody’s shouting“Which Side Are You on?”Bob Dylan, “Desolation Row”, 1966.Wenn man nicht wüsste, dass Medien immer übertreiben, könnte man fast glauben, dass die Architekturbiennale in Venedig - wie die Süddeutsche Zeitung schreibt - tatsächlich die wichtigste Architekturausstellung der Welt ist.Ich vermute aber, dass mit Ausstellung nicht Ausstellung gemeint ist, sondern vielleicht meint Gerhard Matzig nur den Event per se. Also das Treffen einer Branche, wie bei einer Produktmesse.Andere Kritiker stellen gar nicht mal die Sinnfrage, sondern stellen gleich fest, dass das Zusammenkommen, das Treffen, das Netzwerken das weitaus Wichtigere sei. Gegessen!Ich möchte aber schon mal festhalten, dass die Bedeutung der Architekturbiennale in Venedig in der theoretischen Auseinandersetzung seit ihren Beginn mit der Strada Novissima von Paolo Portoghesi von 1980 immer mehr abnimmt. Auch die persönliche Bedeutung für die Teilnehmer ist im Gegensatz zur Kunstbiennale sehr gering. Wir brauchen uns also nichts vormachen, dieser Event ist ein teurer Totentanz: In einer zusammengestohlenen Stadt („zusammengestohlene Ausstellung“) wälzen sich Touristenströme (Architekten) durch eine nicht funktionierende Infrastruktur, um ihre bürgerliche Bildungslust (bei den Architekten: Eitelkeiten, Neid, Schadenfreude, Verdächtigungen) zu befriedigen. Auch der Glamour, den der Besucher zu spüren vermeint, ist bieder und nur von den Medien herbeigeschreibene Gleichsetzung von Stararchitekten = Filmstar vorgetäuscht.In Wahrheit ist das alles hohl, anstrengend, ermüdend, öde und langweilig. Weil es wirklich nicht mehr um eine lebendige Auseinandersetzung und Kritik mit Themen zeitrichtiger Architektur geht, sondern um leere, konservative und möglicherweise populistische Hüllen, die mit scheinbarer Bedeutung aufgeladen werden. Was wäre das für eine Architekturbiennale, hätte man statt langweiligen Ausstellungen Foren etabliert und Themen lanciert, die uns alle hinter die Kulissen der Entscheidungen blicken ließen. Zum Beispiel der Streit um den Bahnhof in Stuttgart. Die Hinter- und Vordergründe der Kostenexplosion der großen markanten Bauwerke, wie z.B. der Elbphilharmonie. Der politische Streit um Moscheen und Minarette, also der Streit um die Verortung einer Idee. Warum der Einfamilienhausmarkt in den USA zusammengebrochen ist und wie mit Siedlungsarchitektur Machtpolitik betrieben wird. Über diese Themen lohnt es sich zu diskutieren und nicht darüber, wer ein Stararchitekt ist und wer nicht. Aber stattdessen heißt es: „Menschen treffen sich in Architektur“ und jetzt „Common Ground“ (übersetzt heißt das: Kompromiss). Schlimmer geht’s nimmer!Diese Situation lässt das Bild des venezianischen Karnevals aufkommen. Man stelle sich vor, alle Architekten in Pierrot-Verkleidung umgeben von maskentragenden Kritikern tanzen den Banale-Tanz, oder noch besser, auf einer sinkenden Gondel spielen die Architekten wie weiland das Orchester der Titanic das letzte Lied, während draußen in der realen Welt unser Berufsstand leckgeschlagen in Macht- und Bedeutungslosigkeit versinkt. Denn Politiker und Projektsteuerer, Investoren und Beamte bestimmen schon lange unsere gebaute Umwelt. Nicht der Architekt.Während in Russland die Künstler hartnäckig Widerstand leisten gegen das autoritäre Regime, befindet der jetzige Kommissar der Architekturbiennale diese Eigenschaften als hinderlich für unseren Beruf und er erklärt in einem Interview im Standard, dass dem Genie Raum weggenommen werden muss. Man müsste ihm die Pussy Riots vorführen, damit er endlich versteht, wo es langgeht in unserer Gesellschaft.Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Architekturbiennale in Venedig neu organisiert werden muss.Wolf D. Prix, geb. 1942, ist Architekt und hat zusammen mit Helmut Swiczinsky und Michael Holzer 1968 das Architekturbüro "Coop Himmelb(l)au" in Wien gegründet, das er heute leitet. 1993 wurde er als Professor für Architektur an die Universität für Angewandte Kunst berufen. Sein Büro vertrat 1996 Österreich auf der 6. ArchitekturBiennale in Venedig, 2006 war er Kommissär für den österreichischen Pavillon der 10. Architekturbiennale in Venedig.
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Benjamin Foerster-Baldenius / 26.8.2012 / 16:24

darstellender Architekt, Berlin

Ja ...

... wenn man sich ohne Inhalte trifft, wird es langweilig. Allerdings ist das ein eher unwahrscheinlicher Fall, denn solange unseresgleichen sich dort einfindet, kommen die Inhalte von alleine an den Canale Grande. Natürlich ist es wichtig, das die Ausstellung, die für das Eröffnungspublikum ja nur das Beiprogramm ist, auch Spass bringt anzuschauen. Wenn die Frage sich darauf bezieht, das die letzten Shows trotz markiger Motti und gebrochener Lanzen für Inhalte letzlich doch nur die bekannten Positionen auf recht herkömmliche Weise vertraten, also die Architektur als Objekt präsentierten, ist das natürlich wenig konsequent und auch eine verpasste Chance. Die kommt aber alle zwei Jahre wieder.

Wenn ohne Inhalte aber heissen soll, das es nur um “Aesthetics”, “In buildings” oder “grounds” gehen soll, lesen wir besser H.O.M.E. oder Wallpaper. Wenn die beteiligten Länder nur noch ihre Real Estate Projekte präsentieren - gute Nacht! Wenn es auf der Biennale nur noch von Scheichs, Bürgermeistern, Möbelhauskettenbesitzern und ihren Jubelpersern wimmelt, die sich wie aus dem Supermarktregal ihr Guggenheim Design aussuchen, spätestens dann müssen wir uns einen anderen Ort suchen, um uns darüber auszutauschen, was Architektur für uns heute interessant macht. Das wäre allerdings schade, denn nirgends macht das soviel Spass wie in Venedig.

Es wäre jedoch wünschenswert, wenn es gelänge, den Geist der Eröffnungswoche über die Dauer der Ausstellung auszudehnen. Eine Biennale, bei der einen auch nach vier Wochen noch nicht das Gefühl beschleicht, dass man den wichtigsten Teil bereits verpasst hat. Eine Biennale, die man gar nicht verlassen möchte, weil das ständig spannender werdende Programm, die sich immer mehr zuspitzenden Diskussionen in den Cafés bei Focaccia und Pannetone einen so sehr fesseln, das man das Hotel eine Woche länger bucht. Dafür braucht man allerdings Inhalte – sehr viele Inhalte.

Benjamin Foerster-Baldenius, geb. 1968, hat in Berlin und Kopenhagen Architektur studiert, 1997 das Instituts für angewandte Baukunst in Berlin gegründet und ist seit 1999 Mitglied der Architektenfamilie raumlaborberlin, die mit Beiträgen auf der 9.,10.,11.,12. und 13. Architekturbiennale in Venedig vertreten waren.

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