"Darf Architektur unflexibel sein?"

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Als Le Corbusier den freien Grundriss als einen seiner „Fünf Punkte einer neuen Architektur“ postulierte, war der Begriff ein Synonym für die Befreiung von Konventionen und überkommenen Wohnvorstellungen. Ein freies Stützenraster statt fixer tragender Wände versprach eine Architektur, die sich ständig auf wechselnde Bedürfnisse anpassen ließ und offen für die Zukunft war.
Heute hat dieser Begriff viel von seiner einstigen Emphase verloren. Die Zukunft kam, wie so oft, anders als gedacht. Statt dem neuem Menschen sind wir mit einer Überzahl von Alten konfrontiert, die den wenigen neuen Menschen (unseren Kindern) bald schwer auf der Tasche liegen werden. Die klassische Familie ist immer weniger die Norm des zwischenmenschlichen Zusammenlebens, genauso wie feste Arbeitsverhältnisse heute immer mehr die Ausnahme von der neoliberalen Regel repräsentieren. Je unzuverlässiger die Wirklichkeit wird, umso mehr wächst der Druck auf die Architektur, architektonische Passepartouts für alle Eventualitäten zur Verfügung zu stellen. Ganz klammheimlich hat sich unterdessen der freie zum flexiblen Grundriss gewandelt, den Projektentwickler gern als „Asset-Faktor“ ihrer Immobilienportfolios preisen – ein entwaffnender Euphemismus für eine Architektur, die prophylaktisch so eigenschaftslos ist, dass sie auch schon während des Entwurfs umgenutzt werden kann, wenn schwankende Kapitalrenditequoten der geplanten Funktionen eine Umprogrammierung des Gebäudes für sinnvoll erscheinen lassen.

 

Aber natürlich sollen Gebäude auch nach ihrer Fertigstellung flexibel bleiben – sowohl im architektonischen wie im städtebaulichen Maßstab. Barrierefreie Baugruppen und Mehrgenerationenhäuser mit addierbaren Schotten oder beliebig miteinander zu verbindenden Räumen sollen das Gebaute an neue Lebensverhältnisse, hinzuziehende Eltern oder Pflegepersonal anpassen. Das Schlagwort „Nachhaltigkeit“ tut hier sein übriges, denn Flexibilität gilt als lebensverlängernde Frischzellenkur der gebauten Umwelt. Aber kann es den eierlegenden Wollmilchbau überhaupt geben? Und zu welchem Preis? Wie häufig ein flexibles Gebäude innerhalb seines Bestehens tatsächlich verändert wird, zeigen Wohnbauexperimente der 70er Jahre – nämlich kaum. Der Aufwand ist entweder zu groß oder der Bedarf nach Veränderung zu gering. Letzten Endes geht die gutgemeinte Antizipationsarchitektur zu Lasten der räumlichen Qualität und der Bedürfniserfüllung im Hier und Jetzt.

 

Dabei gäbe es doch Alternativen für das Abfedern des Unplanbaren. Eine wäre die charmante Übergröße, die Mies van der Rohe einst seinem Büronachbarn Hugo Häring mit Blick auf seine organisch-funktionalistischen Grundrisse ans Herz legte: „Menschenskind, mach doch die Bude groß genug, dann kannst du hin- und herlaufen und nicht nur in einer vorgezeichneten Bewegung.“ (Nachzuhören hier) Eine andere Alternative bestände darin, ein differenziertes Angebot unterschiedlichster Wohnungstypen innerhalb eines Gebäudes anzubieten, wie zum Beispiel beim der Wohn- und Geschäftsüberbauung „James“ in Zürich von Gmür & Geschwentner Architekten. Und last but not least gibt es noch das Prinzip Umbau: Man ändert ein Haus dann, wenn der Bedarf sich wandelt. Stewart Brand hat das in seinem Buch „How buildings learn“ und der gleichnamigen BBC-Fernsehserie gut dargelegt. Die Frage muss also erlaubt sein: Darf Architektur unflexibel sein?

 

Boštjan Vuga / 8.2.2013 / 9:58

Architekt, Ljubljana, Slowenien

Ja ...

… I never quite understood the importance of flexibility in architecture. What is flexible space? What does flexible construction mean? Is it only the separation of the load-bearing walls from the partition walls inside buildings that has allowed users to adapt their living or working space and the space to accommodate their current needs? And does flexibility contribute to the quality of an architectural product at all?The most banal example of functional flexibility includes conference rooms in congress centres stinking of detergent for carpet pressure. It means that one large hall is divided into three small ones with the help of sound-tight, silently moving or sliding flexible partition walls.Or think of the junk space at airports with its huge surfaces of plaster walls fencing off, partitioning and directing the flow of travellers passing by “opening soon” stores or “we renovate for you” waiting lounges or "sorry for the inconvenience" closed main circulation routes.  These are examples of a “flexibility  on demand”. But if we move on to housing, in particular to the so-called “affordable housing”, which is built according purely to standards or, even worse, to solely match building law, we are confronted to a kind of “take it or leave it” flexibility, because the space is so mercilessly moulded over its program that there is no wiggle room for anything else. There are generally too many rooms, but they are usually too small. A partition wall separates a tiny kitchen from a tiny living room; by the entrance area of the kitchen, a glass partition wall separates a balcony from the living room and perhaps a master bedroom. I sincerely doubt that there is actually a living individual or family which corresponds to this rigid statistic model, the model of residential neighbourhoods. Here the only real flexibility would lie in the demolition of all partition walls. We may well have to strip housing of all those dubious signs of “designed” flexibility if we want to achieve the possibility to mould a flat according to our wishes and our preferred way of life – in a completely inflexible, but larger open space.  So that standard apartments originally tailored to concrete functions can start to adapt to us as soon as all the walls are removed. Luckily, they are made of plaster and not load-bearing.While I remain sceptical of this mechanistic understanding of flexibility of “moving walls”, I am very interested in an architecture capable of “moving moods”; a responsive architecture able to adapt to my current mood by detecting my feelings, an architecture that allows me to modulate the atmosphere of the space according to my desire for intimacy or extroversion. If flexible architecture is related to modifying hardware or engineering of structure, adaptable architecture is a matter of software or engineering of atmosphere. Flexible architecture was born in 20th century, while the adaptable architecture has been present since time immemorial. Of course, the techniques to achieve adaptability in traditional Japanese architecture are different from the techniques in Islamic or Mediterranean architecture. But you know that. As you know that all great buildings from the past are great due to their inflexible but adaptable spatial identity.Adaptability means the capacity to ensure one’s enjoyment and comfort in space. It means the ability of space to react to my mood. Change the colour of space, reduce the intensity of light, and veil it with a heavy velvet curtain … The mood façade of an adaptable architecture will react and respond to weather and traffic outside and our mood in space.  Imagine you enter a room which senses your anger and adapt to that, calming you down … St Martin Lane hotel, London When you are at St Martins Lane hotel in London, the colour of light is changing in the windows, which radiate blue or red or green mood of every particular guest. When their intimate mood becomes part of the city's urban image, then you certainly do not care if a hotel conference hall can be divided into two parts.Have you ever been seduced by a flexible partitioning of a conference hall?It is a paradox: the more inflexible arcitecture is, the greater seems its potential for adaptability. Boštjan Vuga, born 1966, has studied architecture at the Faculty of Architecture in Ljubljana and the Architectural Association in London. In 1996 he co-founded together with Jurij Sadar the office Sadar+Vuga. Since then they have completed about 15 buildings in their native Slovenia, which they documented in the comprehensive monograph „Sadar + Vuga: A Review“ (eds. Ilka & Andreas Ruby, HatjeCantz, 2012). He has taught architecure at the Berlage Institute and is currently guest professor at the Adip, TU in Berlin.
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ifau / 7.2.2013 / 15:37

Architekten, Berlin

Jein ...

... fragen Sie doch nur Ihren Bauherrn! Aber im Ernst, interessant an der Frage ist die Art, wie sie gestellt ist: als wäre es wirklich möglich, Architektur apriori unflexibel zu denken oder das Konzept der Flexibilität in der Architektur unabhängig von kollektiven wie subjektiven Erfahrungen zu betrachten.Zudem eröffnet die allgemeine Verwendung des Begriffs Architektur gleich zwei Richtungen der Betrachtung. Zum einen aus der Perspektive derer, die alltäglich im Sinne der gebauten Umwelt mit Architektur und deren Bedingungen konfrontiert sind, auch Nutzer_Innen genannt. Zum anderen aus dem Blickwinkel der Profession Architektur.Die Berücksichtigung beider Perspektiven ist beim Versuch, auf diese Frage eine Antwort zu finden, von entscheidender Bedeutung. Denn es ist auffällig, dass die Absichten der Architekten von den Nutzer_innen oft nicht geteilt und oft sogar gegenteilig interpretiert werden. Diese komplexe Kommunikation wollen wir anhand von drei kurzen Geschichten zur Architektur und ihrer Fähigkeit zur Unflexibilität erläutern: Ja?Eines der ersten realisierten Wohnbauexperimente Le Corbusiers, ist das Quartier Frugès in Pessac bei Bordeaux. Henri Frugès, ein Fabrikant für Verpackungen von Zuckerwürfeln, hat 1924 diese Siedlung für seine Arbeiter errichten lassen, um sie an einen Ort zu binden und so seine Arbeitskräfte und sein Werk vor saisonalen Wanderungen zu bewahren. Le Corbusier entwarf mehrere kombinierbare Hausmodule auf der Basis eines 5x5 Meter Rasters.Die Geschichte der Transformation der Bauten im Laufe der Zeit hat Philippe Boudon in seiner berühmten sozio-architektonischen Studie eindrücklich dokumentiert (Titel der deutschen Bauwelt Fundamente Ausgabe "Die Siedlung Pessac - 40 Jahre Wohnen à Le Corbusier"). Von grundsätzlichem Interesse sind hier die vielschichtigen, in Interviews und Befragungen in ihrer Komplexität herausgearbeiteten Beweggründe für die massiven Umbauten der Gebäude durch deren Bewohner. Tradierte Muster spielen eine Rolle, man orientiert sich am lokalen Haustyp der échoppes; und auch ganz pragmatische Überlegungen (Anbauten, Einbauten etc.). Enorm auffällig sind allerdings die rein formalen Veränderungen der Fassade und insbesondere der Dächer.Man nannte das Gebäudeensemble im Volksmund "Rigolarium" (Lachnummer) und "Frugès' Zuckerwürfel" - klar. Weit weniger witzig ist, dass man den Häusern (weiß, Flachdach) einen arabischen bzw. marokkanischen Einschlag attestierte. Eine entscheidende Triebfeder für die Umbauten (Bandfenster werden zu Lochfassaden, Flachdächer erhalten Giebel, Accessoires wie Blumenkästen kommen zum Einsatz) war, dass sich die Bewohner stigmatisiert fühlten und als Gefangene der Architektur (unfreiwillig).Das Bauprinzip Le Corbusiers ermöglicht vielfältige Formen der Veränderung und Aneignung. Dieses Potential zu nutzen, wirft aber ironischerweise bis heute irritierte Fragen auf. Darf man das überhaupt - ist die Architektur hier gescheitert? Heute sind neue Leute in die Häuser von Pessac gezogen. Darunter viele Architekturadepten, die die Werke Le Corbusiers schätzen und verehren. Und wieder wird umgebaut oder besser gesagt zurückgebaut - design freeze Denkmal (freiwillig). Diese Geschichte beginnt mit einem System, das alles erlaubt und erlebt ein Phase in der alles getan wird, um diese Freiheit zu bändigen, um dann das Ganze endlich zum möglichst nicht anzutastenden Werk zu erklären.Vielleicht ist Umbauen in unseren Breiten einfach eine rein bildfixierte Kulturtechnik.  Le Corbusier, Cité Fruges, Pessac. Foto von Ilka & Andreas Ruby/textbild, 2002. Le Corbusier, Cité Fruges, Pessac. Foto von Ilka & Andreas Ruby/textbild, 2002.  Jein?Wir haben ein Geländer, einen kreisrunden Stahlring, mitten in einen Raum gestellt, der programmatisch offen und für alles Mögliche nutzbar sein sollte. Das Goethe-Institut in New York veranstaltet hier (immer noch) Lesungen, Ausstellungen, Performances, Seminare uvm. Der Entwurf wurde kontrovers diskutiert (unmöglich), aber unserem Argument, dass gerade diese Obstruktion des Raumes dazu beitragen würde, Aneignungen und Transformationen produktiv zu befördern und den Veranstaltungsraum sowie die Kultureinrichtung selbst immer wieder zu hinterfragen, wurde gefolgt. Der Ring wurde realisiert - nicht ohne eine Mahnung seitens der Leitung des Instituts, die ihr OK gegeben hatte und nicht ohne ihren Funktionalitätsbegriff zu hinterfragen:"Ich gebe Ihnen drei Monate. Wenn der Ring dann nicht funktioniert, lassen wir ihn entfernen."ifau & Jesko Fezer, Steel Ring, Goethe-institut Wyoming bBuilding, New York, 2009.  Nein?Der britische Architekt Cedric Price untersuchte in den 1970er Jahren Möglichkeiten einer lern- und anpassungsfähigen Architektur. Von Firmenchef Howard Gilman beauftragt, für die Gilman Paper Corporation auf dem waldbestandenen Firmenglände in Florida ein Künstlerhaus zu entwerfen, entwickelte er eine flexible Architektur mit temporären Raumgefügen. Das Projekt „The Generator“ wurde bewußt ohne spezifisches Programm, aber mit dem Ziel einer permanten Veränderbarkeit entworfen.Dieses gedanklich wie technologisch vielschichtige Projekt, das Price vor allem anhand von Diagrammen und einer Vielzahl von Szenarien entwickelte, bestand im Wesentlichen aus einem System würfelartiger Raumeinheiten, die bewegt und mit anderen oder mit zusätzlichen Einheiten geschaltet werden konnten, um je nach Bedarf temporäre Räume für Workshops, Aufführungen, Unterkünfte oder einfach nur zur Erholung im Wald zu erzeugen.Über die Bedienung eines Automaten sollten Besucher je nach Bedarf jede der 150 klimatisierten, 4 x 4 m großen Raumeinheiten steuern und zu einer räumlichen Struktur kombinieren können. Der Automat sollte die Besucher animieren, den Entwurf ständig zu ändern und zu verbessern. Für den Fall, dass die Änderungen am bestehenden Raumgefüge stagnierten, war der Automat so programmiert, eigenständig Veränderungen und Umbauten vorzunehmen. Die grundlegenden Idee des “Generators“ sind räumliche Variabilität und künstlerische Freiheit.Das äußerst komplizierte Vorhaben von Cedric Price, eine soziotechnische Umgebung bereitzustellen, die künstlerisches Handeln fördern sollte, wurde nie gebaut.Cedric Price, The Generator, White Oak, Florida, 1976-1979 (unrealisiert). Zeichnung 1977. ifau (Institut für angewandte Urbanistik) ist im Kern eine Architektengruppe und seit 1998 in verschiedenen interdisziplinären Konstellationen tätig. Das Arbeitsspektrum umfasst städtebauliche und architektonische Entwürfe, Realisierungen, Forschungsprojekte, sowie Installationen und Aktionen im urbanen Kontext. ifau untersucht die Möglichkeiten einer direkten Übersetzung urbaner Realität, Differenz und Vielfalt in den Entwurf von Architektur und Stadtraum. Grundlage aller Projekte ist es, kontextimmanente Prozesse als Verhandlungsräume in den Entwurf einzuschreiben. Flexibilität und Spezifität sind Merkmale der so entwickelten Modelle. Der Entwurf gewinnt Form in Verhandlung oder ist Form für Verhandlung. Er enthält so einen Mehrwert der seinen Gebrauchswert im Alltag bestimmt und steigert. ifau sind Christoph Heinemann, Susanne Heiss, Christoph Schmidt. http://www.ifau.berlin.heimat.de
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Helmut Wimmer / 5.2.2013 / 18:29

Architekt, Wien

Nein ...

In Ihrem Eingangsstatement „Darf Architektur unflexibel sein?“ zitieren Sie Mies van der Rohe: „Menschenskind, macht doch die Bude groß genug, dann kannst Du hin und her laufen und nicht nur in einer vorgezeichneten Bewegung“.? Mies van der Rohe hat aber auch einmal gesagt: „Gute Architektur ist immer eine zeitgemäße Architektur, die Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen gibt“. Fakt ist, dass im Klima eines grundsätzlichen, gesellschaftlichen Paradigmenwechsels und vor allem verschärfter wirtschaftlicher Randbedingungen die Dauerhaftigkeit und die Nachhaltigkeit von Bauten zu einer Notwendigkeit wird.Die Forderung der „Moderne“, „Jede Generation baut sich ihre Welt neu“, hat sich als Utopie erwiesen.? Grundsätzlich ist das Bestreben nach Flexibilität, danach, anpassungsfähigen Raum (Wohnraum) zu schaffen, nichts Neues. Generationen von Architekten beschäftigten sich mit diesem Thema.?Flexibilität, Nachhaltigkeit - wie und mit welcher Unverfrorenheit heute mit diesen Begriffen umgegangen wird, verschafft mir großes Unwohlsein. Es bedarf hier wohl einer Neudefinition dieses Begriffes, siehe auch meine Homepage.Es bedarf aber auch einer Neudefinition des Rollenbildes des Architekten.? Wird es weiterhin darum gehen, Architektur als unverrückbares Gesamtkunstwerk im Sinne einer klassischen Architekturauffassung zu sehen, in der jede Eingriffnahme durch die agierenden Menschen den Gesamteindruck empfindlich stört, oder wird es nicht eher darum gehen, eine Architektur zu entwickeln, eine eher prozesshafte Architektur, die Mitgestaltung, Mitbestimmung, Kreativität und Flexibilität fördert? ?Es wird in Zukunft sicherlich nicht darum gehen, Siedlungen, Wohnungen, etc. in ihren Einzelheiten zu entwerfen, sondern es wird darum gehen, Strukturen zu schaffen, in denen sich Städte, Siedlungen, Wohnbauten, etc. selbst entwickeln können.? Diese Strukturen definieren nur den Rahmen, in denen dieses Ereignis zwischen den einzelnen Teilen des Ganzen stattfinden kann.? Das Unvorhersehbare wird dabei nicht nur akzeptiert, sondern zu einer Prämisse gemacht. Entwerfen wird zu einem Balanceakt zwischen Ordnung und -Chaos.? Dieses Konzept wird der Unvorhersehbarkeit der modernen Gesellschaft gerecht oder, wie ich einmal gelesen habe: „Wir werden uns darauf einstellen müssen, Lebendigkeit, Dynamik, Schnelligkeit und Unvorhersehbarkeit der modernen Gesellschaft als integralen Bestandteil unseres planerischen Denkens zu machen. ?Unser Planen wird so zu einem Stück mehr Programmieren, Organisieren und Regie führen.? Wir sollten großzügig und vorausdenkend sein, wir sollten Formen des gesellschaftlichen Wohlergehens erfinden.? Wir haben kein Recht, den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, sondern die Pflicht, ihnen zu sagen, dass sie dieses oder jenes noch nicht ausprobiert haben und dass wir es ihnen möglich machen können. ?So wird der/die Architekt/in ein Mittel für unsere individuellen Zwecke. Er/sie wird zum/zur Anreger/in, Provokateur/in auf der Bühne des Lebens, auf der sich unsere individuelle Selbstverwirklichung vollziehen kann“. 
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Mike Wilkens / 4.2.2013 / 22:04

Architekt, Kassel

Ja ...

Flexibilität, das war ja in den 60/70er Jahren eine der neuen Moden der Moderne. Das klassische Material von Architektur, nämlich Räume und Territorien, gut voneinander abgrenzende Wände, Mauern und Zäune, galt plötzlich als spießig, kleinkariert und plump. Papst Mies van der Rohe hatte es vorgemacht: Unter einem fliegenden Flachdach ein paar Wandparavents, Innen und Außen ineinander übergehend, das war zwar unbewohnbar, aber bestechend schön und flexibel.Nachdem aber die Moderne endlich als bloßer Überbau von Industrieproduktion und Massenkonsum erkennbar geworden war, sollten Architekten zu ihrem eigentlichen Metier zurückkehren: Räume gut, je nach Bedarf schalldicht, wärmedämmend, deutlich und schön begrenzen! Statt immer Ungewohntes neu zu erfinden, das bewährte Gewohnte wiederholen! Ungewohntes ist auch Unbewohntes. Gewohntes studieren und wieder anwenden, solange es sich bewährt!Die Baufrösche propagierten deshalb in den 80er Jahren: Wer gute Nachbarschaften will, muss die Bewohner gut, selbst im Freiraum klar voneinander trennen. Das war alles andere als flexible Planung. Im Gegenteil: deutlich gegeneinander abgegrenzte Räume, gestuft von Öffentlich bis Privat. Je deutlicher und unflexibler der Raum aufgeteilt ist, desto flexibler können die Bewohner mit ihm umgehen. Die Kunst der Architekten besteht eben darin, das Raumgefüge so zu organisieren, dass das Leben darin sich vielfältig und variabel organisieren kann. Baufrösche, Grundriss Wohnungsbau Kassel, Dönche I / documenta urbana, 1981Baufrösche, Anger Wohnungsbau Kassel, Dönche I / documenta urbana, 1981 Michael Wilkens, geb. 1935, studierte nach eineinhalb Wanderjahren durch Asien Architektur an der TH Karlsruhe und an der TU Berlin, war von 1961-69 Mitarbeiter von Prof. Paul Baumgarten und diplomierte 1966 bei O. M. Ungers. Setzte sich 1970 und dann 1979 mit Nicola Dischkoff für eine Reform des Wettbewerbswesens ein: „DIN-A3-Wettbewerbe nach „Dietzenbacher Modell“. Wilkens wurde 1974 an die Gesamthochschule Kassel berufen und gründete dort 1978 die Arbeitsgruppe „Stadt/Bau für kostengünstigen Wohnungsbau“, die sich bei ihrem Beitrag für die documenta urbana in Kassel 1981 in „Baufrösche“ umbenannte und seither zahlreiche Wohnprojekte, Schulen und Kindergärten verwirklicht hat. Seit 1989 Kooperation mit der Uni in StaClara/Kuba. Buchveröffentlichungen: „Architektur als Komposition“, Birkhäuser 2000. „Am schönsten sind nach alledem die Entwürfe des Esels.“ Aufsätze und Reden zu Architektur und Städtebau 1973-2003, 2004.
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Florian Stocker / 4.2.2013 / 15:12

Architekt, Remshalden

Ja ...

Der Einsiedlerkrebs meint: "ja"Flexibel - biegsam, das benötigt ein unbiegsames Gegenüber, das die Wände nachgeben lässt. Ist Architektur starr oder biegsam? Ein Zelt ist biegsam, den es muss transportiert werden. In der allgemeinen Wahrnehmung verhält sich Architektur starr, belastbar und schutzgebend. Der Mensch sucht Schutz und birgt sich in ihr. Die Architektur vermittelt zwischen Mensch und Natur… - Van der Laans Vergleich mit der Sohle einer Sandale:„Für den Fuß stellt die Oberseite der Sohle ein kleines Stück weicher Boden dar, während sich ihre Unterseite zum Boden wie ein Stück verstärkter Fuß verhält. In gleicher Weise ist das Haus von innen für den Menschen ein Stück bewohnbarer Umgebung, während es von außen, wo es der Natur gegenübertritt, für das unantastbare menschliche Dasein steht. Das Haus erscheint so als aussöhnendes Element zwischen Mensch und Natur, das den Menschen in die Lage versetzt, sich in der Natur zu behaupten.“Nun ist die Sohle flexibel. Passt sich die Sohle der Natur oder dem Fuß an? Sie soll vermitteln, und eine Stärke der Architektur ist sicherlich dass sie einen bleibenden Charakter hat, der sich in längeren Zyklen verändert als Kleidung und Geräte. Panta rhei, bloß wie schnell?Als Krebs würde ich eine unflexible Schale vorziehen, denn ich möchte flexibel bleiben. Zum Schluß ein Zitat von Björk:"And I think the world is full of dentists who want to be race-car drivers, and race-car drivers who want to be dentists." Florian Stocker, geb. 1967, schloss 1995 sein Architektur und Designstudium an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart ab und absolvierte ein Aufbaustudium zum M.Sc. mit Schwerpunkt Architekturtheorie in Boston am M.I.T. und an der Harvard University im Rahmen eines DAAD Stipendiums, danach war er Teilnehmer der Masterclass mit Steven Holl am Berlage Institute in Amsterdam. Er war in der Lehre an der Universität Karlsruhe und am Massachusetts Institute of Technology tätig. Seit dem Jahr 2000 leitet er ein Architekturbüro in Remshalden bei Stuttgart. Im Jahr 2011 wurde er in den BDA berufen. Neben seiner Tätigkeit als Architekt, betreibt er seit 2004 das Internetforum "Frage des Monats" das Fragen zur Architekturtheorie stellt. www.atelier-stocker.de/theorie.html 
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Georg Vrachliotis / 4.2.2013 / 7:55

Vertretungsprofessor für Architekturtheorie, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Nein ...

Flexibilität ist wichtig. Doch ist Flexibilität nicht gleich Flexibilität. Da liegt der Hase begraben. Denn hinter diesem  Begriff verbirgt sich die seit der Industrialisierung anhaltende Suche der Architektur nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Individualisierung und Standardisierung. Fritz Haller beispielsweise beschäftigte sich Zeit seines Lebens damit, ausgeklügelte Architektursysteme zu entwickeln. Das Credo lautete: „Der Neubau ist ein Sonderfall des Umbaus“. Das war radikal gedacht, aber bekanntlich Teil einer breiteren Strömung. In den 1960er Jahren sprach man von Vernetzung und Mobilität und verheddert sich in ästhetischen Diagrammen. Gleichzeitig verzweifelte die Suche nach Flexibilität an der allzumenschlichen Vorstellung, die Dynamik sozialer Intimitäts- und Gemeinschaftsbilder mit der technischen Logik des industriellen Bauens lösen zu können. Wie man die Ergebnisse im Einzelnen auch beurteilen mag – man ahnt es bereits: die Architektur war zu sehr der Zukunft und zu wenig der Gegenwart verbunden. Das klingt widersprüchlich. Ist es auch. Liegt aber in der Natur des Entwerfens. Statt erneut mit diesem unhandlichen Begriff zu hantieren, könnte man der Frage nachgehen, wie sich das Aneignungspotential von Architektur – und um das geht es ja die ganze Zeit - noch beschreiben lässt. Wie ließe sich also über Flexibilität sprechen, ohne sie nennen? Räume könnten als robust, unempfindlich, hartnäckig, beweglich, anpassungsfähig, wandelbar, widerstandsfähig, stabil, strapazierfähig, unverwüstlich, verlässlich oder zäh beschrieben werden. Es sind also vielleicht die begrifflichen Bedingungen der räumlichen Aneignung, die wir weiter untersuchen könnten. Dass man hier zunächst in die Sphäre der Metaphern eintaucht, sollte nicht weiter stören. Metaphern haben bekanntlich die Eigenschaft, uns von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, dass die Organisation des Raumes nicht nur eine Frage der technischen Ausstattung ist. Gleichzeitig ließe sich auf diese Weise die technische Klangfarbe des Begriffs „Flexibilität“ in symbolische Erzählungen des räumlichen Gebrauchs verwandeln. Die Debatte könnte also um zwei Aspekte erweitert werden: um eine Enttechnisierung des Flexibilitätsbegriffs einerseits und seine sprachliche Ausdifferenzierung andererseits. Hilfreich wäre ein „Atlas der Flexibilitäten“. Gibt es nicht? Warum nicht? Georg Vrachliotis, geb. 1977, ist Vertretungsprofessor für Architekturtheorie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zuvor lehrte und forschte er am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich und als Gastdozent für Architekturtheorie an der TU Wien. Er studierte Architektur an Universität der Künste Berlin. 
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Patrik Schumacher / 3.2.2013 / 21:27

Architekt, London

Ja ...

... denn die Flexibilität der Moderne, die auf leere, eigenschaftslose und undifferenzierte Neutralität setzte, ist nicht mehr adäquat. Wir setzen heute auf eine differenzierte, artikulierte Intensität mit vielfältigen, aber latenten Interpretationsmöglichkeiten. Dieses Konzept funktioniert im urbanen Raum, bei kulturellen Institutionen oder auch Firmensitzen, wo Spontanität und Selbstorganisation eine Rolle spielen. Flexibilität entsteht hier über eine räumliche Mehrdeutigkeit, die unterschiedliche Interpretations- und damit auch Nutzungsmöglichkeiten ermöglicht, die simultan zu Verfügung stehen und erst über Nutzeraneignung manifest werden. Nutzungsoffenheit basiert hier nicht auf eintöniger Leere, sondern auf der Überfülle an simultanen Raummustern und Morphologien. Es geht hierbei auch um das Stimulieren von neuen Kommunikationsmustern und Ereignisformen. Neutrale Leere stimuliert die Phantasie der Nutzer wenig, sondern bildet nur eine Projektionsfläche für altbekannte Muster. Morphologische Anreicherung wirkt dagegen verfremdend und anregend. Sie stimuliert zur Kreativität in der Form aleatorischer Aneignung, die nicht unbedingt schon mit eingeplant sein muss. Mein Konzept der aleatorischen Flexibilität ist inspiriert von der aleatorischen Methode in der Kunst. Eine abstrakte Überfülle des formalen Angebots inspiriert die Nutzungsideen, so wie der Kaffeesatz das Figurenlesen inspiriert. Patrik Schumacher, geboren 1961 in Bonn, ist Partner des Büros Zaha Hadid Architects (ZHA), dem er seit 1988 angehört. Er zeichnet er für viele wichtige Projekte des Büros als Ko-Autor verantwortlich. Zusammen mit Zaha Hadid hat er ZHA zu einem internationalen Architekturbüro mit 400 Mitarbeitern entwickelt. Nach seinem Studium der Philosophie, Mathematik und Architektur in Bonn, London und Stuttgart, das er 1990 abschloss, gründete er das „Design Research Laboratory“ an der Architectural Association in London, wo er auch bis heute weiter lehrend tätig ist.
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Stefan Höglmaier / 1.2.2013 / 20:56

Geschäftsführer eines Bauträgerunternehmens, München

Ja ...

 Flexibilität ist keine feste Größe. Flexibilität muss in unterschiedlichen Abstufungen gedacht werden. Wie hoch ist doch der Aufwand für Flexibilität in Erstellung und Unterhalt im Verhältnis zu möglichen späteren Umbauten.Ein weiterer Aspekt ist, in welcher Architekturqualität ein Gebäude entsteht. Eine Villa von Neutra bedarf wohl keiner Umbauflexibilität zu einer Kindertagesstätte. Sollte sichwirklich kein Villennutzer finden, dürften Kreative genug Flexibilität haben, um eine derartige Architektur als workspace zu nutzen. Insofern darf Architektur unflexibel sein. Die Frage ist nur, in welchem Maße unflexibel und bei welcher Architekturqualität. Stefan Höglmaier, geb. 1974, gründete 1999 die Euroboden GmbH, ein Bauträgerunternehmen mit dem Fokus auf der Entwicklung von architektonischen Konzepten im Dialog mit seinen Partnern. 2011 hat Höglmaier mit J. Mayer H. Architekten das Projekt Johannisstraße 3 in Berlin realisiert.
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Walter Siebel / 30.1.2013 / 20:31

Soziologe, Oldenburg

Jein ...

Solange sich die Lebensweisen in unserer Gesellschaft weiter ausdifferenzieren, werden die Anforderungen an die Flexibilität der gebauten Umwelt und insbesondere unserer Wohnformen steigen. Wie aber wird man dieser Flexibilität im Wohnbau gerecht? Es gab Versuche, die auch von der Bundesregierung gefördert wurden, technische Antworten auf dieses Problem zu finden. Sie waren aus sozialen, technischen und ökonomischen Gründen wenig erfolgreich. Es handelte sich um sehr teure Lösungen wie zum Beispiel flexible Wände, die Probleme mit dem Schallschutz und Installationen mit sich brachten. Der entscheidende Nachteil dieser technisch verschiebbaren Wände sind aber wahrscheinlich die sozialen Grenzen. Es wird selten vorkommen, daß mein Nachbar auf ein Zimmer verzichten möchte, wenn ich gerade eines benötige. Das aber wäre die Voraussetzung, wenn man die Wohnungsgröße über technisch verschiebbare Wände verändern möchte. Die sinnvollste Form, flexibles Wohnen zu ermöglichen, wäre ein Überangebot unterschiedlicher Wohnformen in den regionalen Wohnungsmärkten, so daß man sich per Umzug die jeweils passende Wohnung entsprechend der sich verändernden Bedürfnisse verschaffen könnte. Dafür wäre aber überall und dauernd ein Überfluß an billigen und guten Wohnungen notwendig, eine unwahrscheinliche Voraussetzung. Eine weitere Möglichkeit bieten neutrale Grundrisse. Daß die Gründerzeitwohnungen für Wohngemeinschaften sehr viel attraktiver sind als die Grundrisse des sozialen Wohnungsbaus aus den 60er und 70er Jahren, hängt nicht allein damit zusammen, daß die Gründerzeitwohnungen größer und damit ohnehin flexibler sind, sondern auch mit ihren Grundrißqualitäten. Und schließlich stellt das Wohneigentum eine Bedingung für Flexibilität dar. Ein Architekt hat mir einmal erklärt, das Flexibelste, was es gäbe, seien eine nicht tragende Backsteinwand und ein Vorschlaghammer – vorausgesetzt, daß einem beides gehöre. Eigentum bedeutet, daß man seine Wohnung nach seinen Bedürfnissen verändern kann. Bedeutet nun die Ausdifferenzierung der Wohnform, daß die Spielräume für Architekten enger werden? Nein, ganz im Gegenteil. Aber eine exakte Anpassung von Grundrissen an bestimmte Wohnweisen ist immer weniger möglich und immer weniger wünschenswert. Denn die Lebensdauer der Wohnungen einerseits und die Vielfalt, die Veränderbarkeit und die Widersprüchlichkeit der Wohnwünsche und der Wohnverhaltensweisen andererseits setzen der Anpassung der gebauten Umwelt an bestimmte Bedürfnisse enge Grenzen. Wohnräume müssen vielmehr eine gewisse Distanz, eine Art Neutralität gegenüber dem Alltag ihrer Bewohner bewahren. Ich glaube, daß die Attraktivität umgebauter Industrieanlagen oder Wohnungen aus dem 19. Jahrhundert darin liegt, daß diese umgebauten Gehäuse genau diese Distanz selber zum Ausdruck bringen. Es ist ein Irrtum zu meinen, daß soziale Anforderungen an das Wohnen zu Lasten architektonischer Gestaltungsspielräume gehen müssen. Natürlich ist Architektur eine angewandte Kunst, sie muß soziale und technische Funktionen erfüllen. Aber sie muß auch der ästhetischen Logik von Räumen entsprechen. Ich glaube, daß dafür die Möglichkeiten heute größer sind als zu den Zeiten der Dominanz eines ganz bestimmten Bildes vom richtigen Wohnen. (Auszug aus „Die Zukunft des Wohnens“ in: ARCH+ Nr. 176/177, Aachen, 2006) Walter Siebel, geb. 1938, ist seit 1975 Professor für Soziologie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, mit den Schwerpunkten Regional- und Stadtforschung hat er in zahlreichen wegweisenden Publikationen die Brücke zwischen baukulturellen und gesellschaftspolitischen Themen geschlagen. Träger u.a. des Fritz Schumacher sowie des Schader Preises.
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Robert K. Huber / 30.1.2013 / 12:10

Architekt und Journalist, Berlin

Nein ...

 ... denn zumindest entgeht sie nicht dem Wandel, niemals dem Wandel ihrer Umwelt. Ob Konservierung, Umnutzung oder Rückbau, um drei mögliche Kategorien zu nennen, wie so oft kommt es auf die Differenzierung an zwischen dem was Architektur als sich entwickelnde gebaute Umwelt können kann oder was über die Zeit schlichtweg an Veränderung eintritt. Besonders wenn nachhaltiges Bauen das Ziel ist. Mit Blick auf den Wohnungsbau sind es sicherlich nicht die flexiblen Strukturen aus „Träger und Einfüllungen“ geworden, die beispielsweise nach John Habraken, verkürzt gesagt, die Problematik von Veränderlichkeit und Individualität der Architektur ein für alle mal auflösen sollten. Und generell ist die Kritik berechtigt, dass die meisten Wohnbauexperimente, die mit elementierten Bauteilen veränderliche Strukturen angeboten haben, nicht oft in die Verlegenheit kamen, diese Möglichkeiten auch beweisen zu müssen. Aber was war damit eigentlich gemeint, mit einem strukturalistischen Ansatz à la Habraken oder von Anderen dieser Zeit? Mit dem Wunsch, eine „natürliche Relation“ in den Wohnungsbau zurückzubringen, mit der Idee von flexibleren Einheiten im Gegensatz zu einer Uniformität im Massenwohnungsbau? Im Kern war die Idee, mehr Freiheit für die Belange der Menschen, mehr Gesellschaft und Mitbestimmung in das Bauliche zu integrieren: das heißt vorausschauend zu sein und damit nachhaltig in Bezug auf zukünftige Herausforderungen. Die Lösung in der rein architektonisch-technologischen Machbarkeit zu suchen war natürlich einseitig. Aus der heutigen Sicht ergibt sich aber eine interessante Frage: Was wäre gewesen, wenn zu dem sozio-kulturellen damals schon vordringlich der ökologische Aspekt hinzugekommen wäre? Die Frage nach Ressourcenschutz und Energieverbrauch, die zwangsläufig bei Erhaltung, Umbau oder Abriss eines Gebäudes im Raum steht? Diese wäre ein absolutes Pro-Argument für reversible Einfüllungen und stabile Strukturen – nicht baulich, sondern infrastrukturell verstanden – die diesen materiellen Kreislauf ermöglichen. Und damit sind es zwei Ansätze von Flexibilität, die es heute gilt, an ein Gebäude anzulegen: zum einen die Flexibilität, die es als Nutzungsgegenstand aufweist, und zum anderen die Flexibilität, die es besitzt, wenn es um das Verfallsdatum als Ganzes oder das seiner Bestandteile geht. Dies meint den Aufwand seiner Transformation, die Rezyklierbarkeit seiner Teile. Ausschlaggebend ist stets, von welchen Zeiträumen der Veränderung die Rede ist: von 40, 50 oder 60 Jahren als Intervalle des Wandels, von Lebenszyklen eines Gebäudes, die zeitlich auch den sich wandelnden Strukturen der Gesellschaft entsprechen. Sicherlich stehen hier nicht die Veränderungen in der Kurzfristigkeit im Vordergrund, wobei der Austausch von Verschleißteilen oder übliche Nachrüstungen grundsätzlich auch von der Flexibilität der Bausubstanz profitieren. Von größerer Relevanz sind die mittelfristigen Notwendigkeiten der Transformation, veranlasst durch Bestandserhaltung und Sanierung, Anpassung an neue Standards, sei es bei der Wärmedämmung oder anderer sich verändernder Bedingungen, bis hin zu den langfristigen Wandlungserscheinungen als Auslöser baulicher oder städtebaulicher Transformation – wie Strukturwandel, Generationswechsel, soziale Migration und Veränderungen der Prioritäten bei der Wohnraumwahl – und die Möglichkeit der Alt-Substanz diesen zu entsprechen. Die Entwicklung von der Mietkaserne im Arbeiterquartier zum Freiraum für junge zahlungsunkräftige Stadtbewohner bis zu den zahlungskräftigeren „Yuppies“ und schließlich dem Klientel heutiger Wohnraumverwertung unter den Stichwörtern Luxussanierung und Gentrifizierung ist dabei exemplarisch. Das alles geschieht schließlich mit ein und dem selben Gründerzeit-Altbau. Erstaunlich wandlungsfähig scheint diese Art von Architektur, wobei sie doch das Gegenteil war zu den wandelbaren Utopien der Moderne. Was für eine Architektur lässt sich damit fordern? Ist es eine Architektur, die für sich ruhig fest und dauerhaft sein kann, wenn sie denn als bauliche Substanz genug hergibt, um ein Material der Veränderlichkeit zu sein? Dies kommt dem „Gebäude konglomerater Ordnung“ der Smithsons in ihren „Italienischen Gedanken“ nahe: ein Gebäude, das „spontane Anbauten, Abriß und technische Modifikationen ertragen“ kann, „ohne daß seine Ordnung gestört würde“, denn „solche Veränderungen verbessern es sogar“. Passend dazu sind im mittelfristigen Zeithorizont die individuellen Erweiterungen durch Bewohner, wie diese beispielsweise von Asien bis in den nahen Osten am modernen Wohnungsbau der 60er Jahre bis zu den heutigen Wohnbauten individuelle Ergänzungen, kleine Anbauten, häufig an Balkonen, Nischen, Erkern hervorbringen. Nicht selten begünstigen dies die Formen der Bauten, die dem Wunsch entsprachen, das Problem der Monotonie, der „Ästhetik der Anzahl“ (Aldo van Eyck) zu lösen. Wie könnte ein Gebäude heutigen Wunsch-Standards, inklusive Luftdichtheit und Vollwärmeschutz, das ertragen? Freie Grundrisse hin oder her. Zumal diese in der Realität weniger den Wohnungsbau betreffen und mehr den Umbau von Büroetagen mittels Leichtbauwänden, wobei dies vielerorts zu schmal geschlitzten Lochfassaden führt, die das Raster vor- und in der architektonischen Formensprache nach Außen wenig von Vielfalt wiedergeben. Oder ist damit primär eine Architektur gefordert, mit der sich auf Grund ihrer Konzeption und Konstruktion der spätere Wandel oder Abbruch auf die lange Sicht hin energieärmer und ressourcenschonender gestalten lässt; in der Wiederverwendung und Recycling von Baustoffen an erster Stelle stehen? Wobei dies natürlich Grenzen hat. Im Bauen ist es doch vordringlich das jeweils einzigartige Projekt, auch wenn sich vieles de facto sehr ähnelt, das den Ton angibt. Eine Ausnahme stellen vielleicht die Plattenbauten der ehemaligen DDR dar, die mit ihrer systematischen Normung – ohne die ursprüngliche Intention zum Recycling-Design und mit niedriger Flexibilität für ihre Nutzer – dazu einladen, das flexible Material eines großen Bausatzes zu sein. Und auch die vorgefertigten Bauprodukte heutiger Hightech-Produktion sind noch lange nicht kompatibel zu einem Gebrauchtteilemarkt analog der Automobilindustrie, auch wenn es Ideen gibt, die in eine solche Richtung wirken. Und damit wieder zum Anfang, zurück zu den großen Strukturen und den Einfüllungen. Der Faktor Flexibilität existiert nicht nur innerhalb des einzelnen Gebäudes, sondern auch in einer Bauweise, die mit der Gesamtstruktur des Bauens harmoniert, in dem vorausschauendes Design auf die Möglichkeiten moderner Kreislaufwirtschaft trifft. Mit beidem kann die Flexibilität von Gebäuden auch zum Garant von Nachhaltigkeit werden.  Robert K. Huber, geb. 1980, schloss 2008 sein Architekturstudium in München ab und absolvierte ein Aufbaustudium zum M. Arch. und M.Sc. Urban Design in Berlin und Shanghai. Neben seiner Tätigkeit als freier Journalist u.a. für DETAIL sowie Lehrtätigkeiten an der Hochschule München und UdK Berlin leitet er gemeinsam mit Annekatrin Fischer zukunftsgeraeusche GbR (zkg), ein Projektbüro und eine interdisziplinäre Plattform zur Entwicklung nachhaltiger Denk- und Handlungsweisen mit Projekten im Bereich Architektur, Bautechnik, Urbanistik, Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Baukultur. Er beschäftigt sich mit der Wiederverwendung von Bauteilen u.a. in den Projekten Plattenvereinigung und seit 2012 Bauhaus-reuse.
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Gert Kähler / 27.1.2013 / 17:53

Architekturvermittler, Hamburg

Ja ...

Flexibles Wohnen? Ja! Flexible Wohnungen? Nein! Kleine Erinnerung an ein Einfamilienhaus:1939: Ein neues Haus für zwei Personen: Erdgeschoss und Satteldach.1945: Eine zweite Familie zieht ein, das Dachgeschoss wird ausgebaut1956: Das Haus wird verkauft, für eine fünfköpfige Familie wird das Dachgeschoss erneut umgebaut (Küche raus, Bad rein), ein Anbau kommt hinzu1990: Kinder sind weg, Haus wird verkauft an vierköpfige Familie, Räume werden zusammengefasst mit Durchbrüchen1997: Ehepaar trennt sich, im Obergeschoss zieht eine zweite Partei ein, was einen getrennten Eingang und neue Küche im OG verlangt2003: Haus wird verkauft, Rückbau für eine Familie2008: Haus wird verkauft, zweigeschossiger Anbau. Fazit: Architektur hält viel aus. Kurzer (und sehr pauschalisierender) Rückblick: Der heute so beliebte gründerzeitliche Wohnungsbau war durch die Dominanz der städtebauliche Anlage über den Zuschnitt der einzelnen Wohnung geprägt. Die Grundrisse waren eindeutig einer Funktion zugeordnet (Entrée, Salon, Speise- und Herrenzimmer…). In den zwanziger Jahren dominierte der einzelne Grundriss den Städtebau bei zwei grundsätzlich unterchiedlichen Auffassungen: Die eine bot im wesentlichen gleich große Räume an und damit eine (bei geringen Raumgrößen eingeschränkte) Wahlfreiheit in der Nutzung (Taut, Hamburg). Die andere (Ernst Mays Frankfurt) differenzierte die Zimmergrößen und legte Funktionen fest: dem (relativ) großen allgemeinem Wohnraum standen kleine Schlafzimmer-Kabinen gegenüber: Entwerfen nach Maßgabe der notwendigen Möbelstellflächen. Sie dominierte die dreißiger Jahre (Neufert!) und den sozialen Wohnungsbau der fünfziger Jahre. Nicht die Qualität von Räumen, sondern die funktionsgerechte Anordnung genormter Möbel zählte. Ende der sechziger Jahre wurde mit bundesweiten Wettbewerben nicht die Frage nach der geeignetsten Wohnform, sondern die Flexibilität innerhalb einer gegebenen Fläche durch industrialisierte Bausysteme gestellt, was sich schnell als Irrtum herausstellte - weder waren die Wohnungen flexibel noch brauchte man das Angebot - die „Metastadt“ wurde nach 13 Jahren (!) abgerissen. Die Funktionalisierung der Wohnung - Kinder-, Schlaf-, Wohnzimmer - ist heute immer noch die Grundlage für die Wohnungsaufteilung. Tröstlich: Das gilt für die Wohnung der Reichen wie für die der anderen. Außerdem tröstlich: Bei 40 qm pro Person schert sich kein Mensch darum. Und was ist nun richtig? 1927 baute Mies van der Rohe auf der Weißenhofsiedlung in Stuttgart: Stahlskelett, Wohnungstrennwand, Treppenhaus, Außenwand sowie Boden und Deckenplatte. Sie definieren einen Raum, der frei aufgeteilt werden kann - konventionell-funktional in Raumschachteln oder als offenes Raumkontinuum. Jeder hatte die Wahl. Und musste sich entscheiden. Gert Kähler, geb. 1942, lebt als "Architekturvermittler" in Hamburg.
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Xaver Egger / 27.1.2013 / 17:47

Architekt, Berlin

Nein ...

Nun beschäftige ich mich ja sozusagen von Berufs wegen mit dem Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet heute ist gelebter Strukturwandel, und das gilt auch für seine Bausubstanz in den Städten. Früher Zechengebäude, Schmelzereien, Kokereien, Walzstraßen, Lagerhäuser, etc. sind die Gebäude heute Museen, Gründerzentren für Start-Ups, Hochschulstandorte, Logistikzentren und noch viel mehr. Drehen wir das ganze mal um: Stahlproduktion in einem Museumsneubau? Eher nicht, wenn es sich um eine Inszenierung des Raums handelt, möglich aber in einem White Cube! Ein neuer Hochschulbau, den man nach dem langsamen Abebben der Studierendenwelle - mit dem nach den Prognosen der Hochschulrektorenkonferenz immerhin schon in sechs Jahren zu rechnen ist - umnutzen könnte für Betreutes Wohnen im Alter, um auf die demografische Entwicklung zu reagieren? Auch nicht so toll, da die Regularien und vor allem die finanziellen Förderparameter des Hochschulbaus maximal ausgeknautschte und rationale Gebäude zum Ergebnis haben. Ein skulpturaler Aufbau auf einen Kaispeicher in Hamburgs Hafencity als …? Nein, lassen wir das. Und eine Logistikhalle bleibt eine Halle bleibt eine Halle bleibt eine Halle. Architektur darf nicht unflexibel sein. Wir wissen heute doch gar nicht, wie unsere Gesellschaft in ferner Zukunft aussehen wird. Gerade weil wir heute doch gar nicht wissen, für wen und was wir künftig bauen werden. Der Lebenszyklus der Immobilie ist heute das Schlagwort in der Branche, Nutzungsflexibilität das Gebot der Stunde. Und dann baut man flächen- und volumenoptimierte spezifische Gebäude, die in Rückstände der Mineralölindustrie gewickelt werden, um keine Wärme nach aussen zu lassen. Sehr schön! Dann breche ich doch lieber eine Lanze für Mies´ „charmante Übergröße“, wie die BKult-Redaktion so treffend geschrieben hat. Dann lieber etwas mehr Raumhöhe, um Wohnraum auch als Multispacebüro nutzen zu können bzw. mit Technik nachinstalliert sogar für weitaus komplexere Nutzungen. Dann lieber nicht auf das kleinstmögliche Raster, sondern vorausschauender einen gemeinsamen Nenner bzw. ein gemeinsames Raster für alle denkbaren Nutzungen finden und anwenden. Und die Flure nicht immer nur als Rettungs- und Fluchtwege sehen, deren Breite genau aus diesem zum Glück seltenen Szenario resultiert, sondern Bewegungszonen so denken, dass sie auch Nutzungszonen werden können, sich der Nutzung anpassen. Erstaunlicherweise wird dieses Thema in einem Bereich am intensivsten und weitesten gedacht, der sehr spezifisch ist, nämlich im Bauen für Wissenschaft und Forschung. Dort ändern sich die Anforderungen so schnell, dass ein Neubau ohne entsprechende Flexibilität bei Fertigstellung bereits überholt wäre. Also alles ganz einfach. Wir brauchen nur noch die Bauherren, die bereit sind, das zu erkennen und umzusetzen. Flexible Nutzer haben wir ja schon, indem die Menschen einerseits unterschiedliche Anforderungen je nach eigener Lebenssituation stellen und andererseits in der Lage sind, sich unterschiedlichen Lebenssituationen anzupassen. Letzteres wäre dann räumliche Aneignung. Und der Beweis, dass Architektur gar nicht unflexibel sein kann! Man denke nur an den venezolanischen Beitrag „Torre David“ auf der letztjährigen Architektur-Biennale in Venedig. Ein 45 Stockwerke hoher Büroturm in der Hauptstadt Caracas, dessen Entwickler 1993 während der Bautätigkeit in Konkurs ging und das Gebäude niemals fertigstellte. Im Laufe der Jahre wurde die Struktur von Menschen auf der Suche nach Wohnraum und Arbeitsraum okkupiert und mit einfachsten Mitteln weitergebaut und stellt sich heute als vertikale informelle Stadt dar, die Raum bietet für mehr als 750 Familien, Läden, Büros, Restaurants, Freizeitaktivitäten, etc. Architektur kann nicht unflexibel sein. Oder wie es im Filmtrailer zum Torre David heißt: „ When the modern city does not apapt to the people, the people will adapt to the city.” Spätestens dann ist Architektur flexibel. Xaver Egger, geb.1965, hat nach einer Ausbildung zum Tischler an der Fachhochschule München Architektur sowie an der Kunstakademie Düsseldorf ein Jahr Plastisches Gestalten studiert. Seit dem Diplom 1992 ist er selbständig und hat 1996 das Architekturbüro SEHW mitgegründet. Neben seiner Tätigkeit im Büro und seiner Professur an der Hochschule Bochum ist er u. a. Referent im Weiterbildungsprogramm der Architekten- und Ingenieurkammer.
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Patrik Schumacher / 3.2.2013 / 21:27

Architekt, London

Ja ...

... denn die Flexibilität der Moderne, die auf leere, eigenschaftslose und undifferenzierte Neutralität setzte, ist nicht mehr adäquat. Wir setzen heute auf eine differenzierte, artikulierte Intensität mit vielfältigen, aber latenten Interpretationsmöglichkeiten. Dieses Konzept funktioniert im urbanen Raum, bei kulturellen Institutionen oder auch Firmensitzen, wo Spontanität und Selbstorganisation eine Rolle spielen. Flexibilität entsteht hier über eine räumliche Mehrdeutigkeit, die unterschiedliche Interpretations- und damit auch Nutzungsmöglichkeiten ermöglicht, die simultan zu Verfügung stehen und erst über Nutzeraneignung manifest werden. Nutzungsoffenheit basiert hier nicht auf eintöniger Leere, sondern auf der Überfülle an simultanen Raummustern und Morphologien. Es geht hierbei auch um das Stimulieren von neuen Kommunikationsmustern und Ereignisformen. Neutrale Leere stimuliert die Phantasie der Nutzer wenig, sondern bildet nur eine Projektionsfläche für altbekannte Muster. Morphologische Anreicherung wirkt dagegen verfremdend und anregend. Sie stimuliert zur Kreativität in der Form aleatorischer Aneignung, die nicht unbedingt schon mit eingeplant sein muss. Mein Konzept der aleatorischen Flexibilität ist inspiriert von der aleatorischen Methode in der Kunst. Eine abstrakte Überfülle des formalen Angebots inspiriert die Nutzungsideen, so wie der Kaffeesatz das Figurenlesen inspiriert.

 

Patrik Schumacher, geboren 1961 in Bonn, ist Partner des Büros Zaha Hadid Architects (ZHA), dem er seit 1988 angehört. Er zeichnet er für viele wichtige Projekte des Büros als Ko-Autor verantwortlich. Zusammen mit Zaha Hadid hat er ZHA zu einem internationalen Architekturbüro mit 400 Mitarbeitern entwickelt. Nach seinem Studium der Philosophie, Mathematik und Architektur in Bonn, London und Stuttgart, das er 1990 abschloss, gründete er das „Design Research Laboratory“ an der Architectural Association in London, wo er auch bis heute weiter lehrend tätig ist.

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Andreas Ruby / 7.2.2013 / 17:09

Ja ...

Dein These ist also: Die morphologische Aufladung eines Raumes versetzt ihn viel mehr in die Lage, unterschiedliche Nutzungsszenarien zu bewältigen, als ein neutraler Raum das könnte. Was heißt das aber für das Verhältnis des Raumes zu seiner initialen Funktion - dass er sich von Anfang an eigentlich indifferent zu seiner Funktion verhalten muss, eben damit er nicht zu sehr auf diese zugeschnitten ist? Leben Form und Funktion gewissermaßen nebeneinander her, in einer relativen Autonomie? Das wäre deswegen interessant, weil Du Dich mit Deiner Position überraschend klar von Hugo Härings organischem Funktionalismus absetzt (dessen Formensprache ja oft als ein Vorläufer der parametrischen Architektur gesehen wird). Bei Häring war der Raum ja ein klarer Abguß der Funktion (siehe seinen Rinderstall), der Raum war ein Maßanzug für einen Körper. Du hingegen argumentierst programmatisch eher wie Mies - ein Raum kann und muss vieles können. Nur interessanterweise verkreuzt Du Härings architektonische Mittel (formale Uberfülle) mit Mies' programmatischem Ziel (Nutzungsoffenheit). In dem Sinne eröffnet Dein Argument eine unerwartete dritte Möglichkeit in der Dichotomie von Häring und Mies: das Paradox eines Maßanzugs, der nicht nur auf einen Körper passt.
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