"Ist der Wettbewerb
das Rauschgift
der Baukultur?"
Ja! 56%
Nein! 44%
Architekturwettbewerbe gelten als Königsweg der Architektur. Sie werden veranstaltet, wenn für eine anstehende Bauaufgabe der beste Entwurf hinsichtlich Funktion, Ökonomie, Ästhetik und vieler weiterer zum Teil divergierender Anforderungen, gefunden werden soll. Hält sich der Auslober am Ende an die Vorgaben der Jury und das preisgekrönte Projekt wird realisiert, was nicht immer der Fall ist, sind alle glücklich. Ausgenommen natürlich die vielen Architekten, die ihren Beitrag eingereicht haben und leer ausgegangen sind.
Das ist die Crux und das ist das wesentliche Argument, das dem offenen Architektenwettbewerb oft entgegengehalten wird. Es gibt immer nur einen Gewinner und viele Verlierer. Vom unternehmerischen Standpunkt aus sei dies unverantwortlich, so hört man immer wieder und gesamt volkswirtschaftlich grenze eine solche Verschwendung von Arbeitskraft an Wahnsinn. Kann schon sein.
Vom unternehmerischen Standpunkt aus ist das Wettbewerbswesen nicht unbedingt verkehrt. Viele Architekten schätzen es, ihr kreatives Potenzial zu trainieren und sich mit ihren Mitbewerbern im Wettkampf zu messen. Denn wo sonst hat ein Architekt die Gelegenheit seine eigene Kreativität auszuleben als im Wettbewerb? Von der Präsenz des eigenen Büros in der Wettbewerbsszene verspricht sich manch einer eine werbewirksame Außenwirkung, denn die Medien publizieren gerne die Wettbewerbsergebnisse. Wer dabei ist, gehört dazu – zumindest einen kurzen Rausch lang – und wer dazu gehört, ist wichtig. Und auch die immer wieder beschworene volkswirtschaftliche Verschwendung von Kreativpotenzial, die dem Wettbewerbswesen innewohnt, kann man durchaus sportlich sehen. Es ist für jeden Architekten immer eine unternehmerische Entscheidung, wie viel er in Wettbewerbsverfahren investieren will und jeder muss für sich selbst abwägen, ob es sich für ihn lohnt oder nicht. Wenn manch einer zehnmal pro Jahr in den Ring steigt und dabei einen gewonnenen Wettbewerb realisiert, kann man durchaus von einer erfolgreichen Strategie sprechen.
Der eigentliche Wahnsinn ist bei dieser vordergründigen Betrachtung aber noch gar nicht zur Sprache gekommen. Es herrscht zwar ein Konsens darüber, dass der Wettbewerb gut für die Architektur ist. Gute Architektur allein macht aber noch keine Baukultur. Denn wie das Wort bereits sagt, beschreibt der Begriff die Kultur, in der gebaut wird. Das schließt die Bedingungen, unter denen geplant wird, mit ein. Unsere Baukultur wird heute nicht unerheblich davon geprägt, dass das Angebot an Architektenleistungen größer als die Nachfrage ist. Architekten arbeiten heute in einem gesättigten Markt.
Diese Situation wird durch Wettbewerbe eher verschärft als überwunden, denn in einem Wettbewerb gibt es naturgemäß auch immer nur einen Gewinner. Das Wettbewerbswesen, das auf dem Prinzip der Konkurrenz beruht, ist deshalb ein genaues Abbild der Marktsättigung.
Ist da die Suche nach dem Besten anhand des Architektenwettbewerbs wirklich die richtige Antwort oder ist der Wettbewerb vielmehr der Teufel, mit dem der Beelzebub ausgetrieben werden soll? Wird die Marktsättigung nicht erst überwunden, wenn der Markt komplexer wird und wenn Architekten erkennen, was sie voneinander unterscheidet? Wäre es für den Berufsstand nicht zukunftsweisender zu beginnen, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, Communities aufzubauen, wie es beispielsweise in den Baugruppen geschieht? Schreibt die Suche nach der besten Architektur nicht das Strukturproblem eines ganzen Berufstands fort und betäubt die schmerzhaften Symptome mit reichlich Glamour? Ist der Wettbewerb also das Rauschgift der Baukultur?
Diese Debatte wird gastkuratiert von Elke Anna Mehner und Volker Eich vom Strategiekreis Architekten. Volker Eich hat DAS STRATEGIEBUCH FÜR ARCHITEKTEN geschrieben.
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Hilft uns ein Schuss Wettbewerb, den schnöden Alltag als gebeutelte Dienstleistungskasper beiseite zu schieben?
Der schmale Grat zwischen Schaden und Nutzen, zwischen Wegbomben und Bewusstseinserweiterung ist bei Drogen selten eindeutig zu lokalisieren. Und dann gibt es ja noch einen kulturellen Kontext des Konsums...
Architektur adressiert mehr als den unmittelbaren Kunden. Ob Tante Emma im Designer-Blümchenkleid schön oder eher vogelscheuchig rüberkommt, ist kein gesellschaftliches Problem. Ein nach dem Gusto von Einzelinteressen hingeklopptes Haus schon.
Wettbewerbe helfen, in komplexen Lösungsfeldern den ausgewogensten Ansatz zu finden. Außerdem erzeugen sie Öffentlichkeit und befördern damit den gesellschaftlichen Diskurs über Sinn, Zweck und Qualität von Architektur.
Wettbewerbe öffnen zudem die Tore für Ideen, die in rein rendite-orientierten Szenarien unter den Tisch fallen würden und helfen Kollegen, Ihre Reputation aufzubauen.
Aber verschärfen Wettbewerbe das Problem der Marktsättigung? Nein, denn es kann ja für jeden Auftrag eh immer nur einen Auftragnehmer geben.
Wie sieht es da für den Einzelnen aus, der sich der Konkurrenz der Ideen stellt? Ich kenne Büros, die ganz klar sagen, dass etwa 10% Ihrer Einnahmen in Wettbewerbe investiert werden, damit hieraus die restlichen 90% der Einnahmen generiert werden. Besonders ist dies in Österreich und der Schweiz der Fall, da hier viel mehr offene Wettbewerbe ungleich ausgelobt werden.
Ergo: Je mehr Wettbewerbe es gibt und je geringer die Teilnahmehürden sind, desto häufiger ist der Wettbewerb Teil eines erfolgreichen Geschäftsmodells.
Bei uns in Deutschland sind Wettbewerbe rar geworden, denn sie werden von den meisten Bauherren als lästig und teuer empfunden. Schuld daran sind leider die EU-Mittelstandsförderung und ihr Veröffentlichungsgebot.
Das Problem ist also nicht ein Überangebot an designverliebten Wettbewerbslemmingen, sondern vielmehr ein Unterangebot an (möglichst offenen) Wettbewerben. Zu Bauen gäbe es genug und mögliche Wettbewerbe böten sich an allen Ecken und Enden an.
Was dabei verloren geht, ist eine besondere Kultur des Dialogs um Architektur und ihren gesellschaftlichen Kontext. Und das ist leider bestimmt nicht bewusstseinserweiternd.
Johannes Stumpf, geboren 1963, arbeitet als freier Architekt in Berlin. Er engagiert sich ehrenamtlich als stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Wettbewerbe und Vergabe der Architektenkammer Berlin.
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Volker Eich und Elke Anna Mehner / 14.10.2013 / 14:28
Jein ...
Lieber Johannes,
Wettbewerbe verschärfen Deiner Meinung nach nicht das Problem der Marktsättigung, denn es könne für jeden Auftrag immer nur einen Auftragnehmer geben. So weit so gut. Aber muss das wirklich auf Kosten der zahlreichen Verlierer geschehen? Als die Nachfrage nach Architektenleistungen noch gößer als das Angebot war, konnte sich jeder den Luxus leisten an Wettbewerben teilzunehmen, weil ja im Prinzip genug für alle da war. Ist das heute immer noch so?
Volker Eich und Elke Anna Mehner sind die Gast-Kuratoren dieser Debatte. Sie haben beide jeweils 15 Jahre als Architekten gearbeitet und sind Inhaber des Beratungsunternehmens STRATEGIEKREIS ARCHITEKTEN BUSINESS DESIGN. Volker Eich hat 2013 DAS STRATEGIEBUCH FÜR ARCHITEKTEN publiziert.
Johannes Stumpf / 16.10.2013 / 12:53
Nein ...